Tagebuch




Lobster Party

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Gabi im Kouchibouguac NP, Loggiecroft, Fisherman's Refuge, NB

Ich muss mich kurz fassen, es ist schon spät. Was für ein Tag - was für ein Genuss!!

Frühstück um 08:00 Uhr - lecker wie gestern, Unterhaltung mit den lieben Leuten aus Niagara Falls, herzliche Verabschiedung vom Inhaber. Ein Blick auf das Ergebnis der deutschen Fußballnationalmannschaft gestern Abend (mit offensichtlich katastrophaler Nicht-Leistung 0:2 verloren in der WM-Quali gegen die Slowakai) - gruselig!!

Nach gut 90 Minuten entspannter Fahrt (hier sind so wenige Autos unterwegs und die Fahrerei ist ein Kinderspiel!) erreichen wir den Kouchibouguac NP. Im Visitor Center erfahren wir, dass man den südlichen vom nördlichen Teil unterscheidet - eine Wasserstraße, der Kouchibouguac River trennt beide Teile; wir starten im Süden und folgen den Empfehlungen aus dem Visitor Center.

Der Kouchibouguac National Park liegt an der Ostküste von New Brunswick, direkt am Golf von St. Lawrence. Schon bei der Anfahrt wirkt alles weit, still und grün. Der Name kommt aus der Sprache der Mi’kmaq und bedeutet „Fluss der langen Gezeiten“. Und genau das findet man hier: ein Küstenabschnitt, der geprägt ist von Lagunen, Marschland, endlosen Sanddünen und langen Stränden.

Typisch für den Park sind die weiten Küstenlandschaften mit ihren Salzwiesen und die geschützten Sandinseln, die sich wie ein Riegel vor die Küste legen. Das Wasser ist dadurch ruhiger und wärmer als anderswo am Atlantik, und im Sommer gilt der Park als einer der besten Badeplätze in New Brunswick. Zugleich ist er ein wichtiges Schutzgebiet: hier brüten die vom Aussterben bedrohten Zwergseeschwalben, und auch die großen Grauen Robben findet man oft an den Sandbänken.

Für Besucher gibt es ein Netz aus Radwegen und Wanderpfaden, dazu Kanutouren auf den ruhigen Flussarmen. Man ist schnell mittendrin in einer Mischung aus Küstenwildnis und Strandidylle. Wer den Atlantik eher rau und windig kennt, erlebt hier eine überraschend sanfte Seite – und hat oft das Gefühl, einen endlosen Strand fast für sich allein zu haben.

So absolvieren wir zunächst den Beaver Trail - ohne jedoch Biber zu sehen. Dafür hatten wir eben am Visitor Center einen nachbebauten Biberbau bewundern können. Dann fahren wir zu Kellys Beach, dem wohl bekanntesten Badestrand hier. Erstaunlich, dass auch hier kaum was los ist. Vom Parkplatz geht es über einen langen Boardwalk hinüber in die Dünen und an den Strand. Einige Möwen lassen sich bereitwillig fotografieren - die Farben knallen in Grün-, Rot- und Blautönen. Es ist 26 Grad warm wie die ganzen letzten Tage - traumhaft!

Es folgt ein kurzer Abstecher nach Ryan - hier können wir auf die andere Seite des Kouchibouguac River schauen, dort legen offensichtlich gerade Fischerboote an, die nach getaner Arbeit zurückkehren. Also fahren wir in den nördlichen Teil genau dorthin. Loggiecroft heißt dieser Ort; wir stellen das Auto ab und schauen den Fischern beim Löschen der Ladung zu. Obwohl die Boote eher klein anmuten, kommt da ganz schön was rüber. Große Mengen Lobster auf Eis in Kisten werden ausgeladen und per Gabelstapler in Kühl-LKWs umgepackt. Dafür werden große Mengen Kisten gefrorenen Fisches zurück auf die Boote gepackt. Auf Nachfrage erfahre ich, dass das der noch gefrorene Köderfisch für morgen früh ist. Allein diese Mengen lassen erahnen, wie viel Lobster hier gefangen wird - 964 Tonnen waren es in New Brunswick in 2024.

Gleich gegenüber ist eine einsame Hütte, das „Fisherman's Refuge“. Wir gehen rüber und ich spreche eine Dame an, die offensichtlich eine ziemliche Menge Hummer in einem großen Topf auf Gasflamme in einer Art Garage kocht. Tatsächlich passiert jetzt etwas, das ich nicht für möglich gehalten hätte: der Hummer gelangt direkt vom Boot in diesen Topf, von dort nach 13 Minuten Kochzeit in eine Wanne mit kaltem Wasser (damit sich das Fleisch von den Schalen löst - abschrecken wie bei Eiern) und von dort direkt in Gabis Kühltasche auf Eis. Unglaublich - sowohl die Farbe, als auch die Frische und der Preis: umgerechnet 18,50 € zahle ich für zwei dieser Prachtexemplare. „So frisch bekommt ihr nirgendwo den Hummer!“ Recht hat sie - ich kann es immer noch nicht glauben.

Wir nehmen nun noch den Osprey Trail in Angriff und schaffen auch gut 3 km in ziemlichem Tempo. Dann müssen wir aber leider abbrechen - die Moskitos fressen uns auf. Ich bin völlig zerstochen. Letzter Trip: der Claire-Fontaine Trail. Nochmal 3,3 km - Gabi düst in einem Affenzacken voran; das grenzt schon fast an Jogging. Können wir so den Moskitos entgehen, die sich auch hier auf uns stürzen? Fast - einige lassen jedenfalls ihr Leben, bluten aber auch mein Blut, dass sie sich vorher geklaut haben.

Nun fahren wir über die Nebenstrecke und Richiboucto zur Unterkunft. Französisch hat hier Vorrang; auch auf den Schildern am Straßenrand steht erst die französische, dann die englische Bezeichnung.

Zimmer beziehen und jetzt: Hummer genießen. Wir setzen uns raus auf die Terrasse und Gabi zerlegt die Tiere. Eine Anleitung dazu hatte ich ja glücklicherweise gestern schon bei Tipsy Trails in Alma fotografiert. Es ist eine ziemliche Schlacht - muss aber wohl so sein. Zu den edlen Meerestieren genießen wir Nachos & Salsa, Thousand Island-Dressing und Möhrchen. So lecker!!

Wir machen uns dann über die Fotos her, Gabis schreibt auch Tagebuch. Als wir dann später aufs Zimmer gehen treffen wir im Speiseraum auf 5 Kanadier/innen, die ebenfalls frischen Hummer verspeisen. Aber in welchen Mengen? Wir dachten, dass einer pro Person normal sei - die haben aber bestimmt schon jede/r 3-4 auf und in der großen Kühlbox sind noch mindestens 8-10. Im Gespräch erfahren wir mehr: jetzt ist Saison (10.08. - 10.10.) und das sei völlig normal. Im Fühjahr kaufen sie immer 50 Pfund (!) Zu 5,00 Can$ je Pfund (entsprich ca. 3,10 €/Pfund). Sie kochen diese (13 Minuten, nachdem das Wasser mit den Tieren drin sprudelt), nehmen sie auseinander und frieren sie ein. Die gehen damit verschwenderischer um als wir mit Grillwürstchen. Sagenhaft!

Jetzt ist das Tagebuch fertig - es gibt noch ein paar Chips und Wein. Eine irre Lobster-Party heute und wenn das „normal“ ist, dann werden wir das bestimmt nochmal wiederholen in den nächsten Tagen. Gute Nacht!

Tagesetappe: 244 Kilometer
Übernachtung: Auberge Bouctouche Inn & Suites, 50 Rue Industrielle, Bouctouche, NB E4S 3H9

© 2025 Gabi & Jürgen