Tagebuch




Colourful PEI

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Gabi am Visitor Center, Victoria, PEI

Eines vorweg: „PEI“ ist die Abkürzung von Prince Edward Island - und das wiederum ist unsere Spielwiese für heute und morgen. Farbenfroh präsentierte sich diese Insel uns heute bei bestem Wetter - wir haben abends immer noch 28 Grad Wärme; unglaublich. Aber: morgen soll es wohl auch (warmen) Regen geben. Mal sehen.

Das Frühstück in Bouctouche ist ok, erwartungsgemäß. Rührei, Bacon, Toast, Cornflakes, Obst und Youghurt begleiten Kaffee und O-Saft. Guter Standard.

Unsere Sachen sind schnell im Auto - los geht es. Nur 30 Minuten trennen uns von Shediac, der „Lobster Capital of the world“ mit einer gigantischen Lobster-Statue („Giant Lobster“) an der Westeinfahrt des Städtchens in der Nähe des bunten Visitor Centers. Da knüpfen wir doch gleich mit ein paar Bildern an die Lobster-Party von gestern an. Lebensgroße Hummer zum Verzehr gäbe es direkt hinter der Brücke im Shediac Lobster Shop. Den schauen wir uns an, kaufen aber nichts. Am bunten Visitor Center lernt Tiny Little Bear von einem alten Fischer ein wenig Seemannsgarn.

Weiter geht die gemütliche Fahrt zur und über die Confidential Bridge, eine 13 km lange Brücke, die das Festland von PEI trennt. Maut muss man erst auf der Rückfahrt zahlen - es sei denn, man verlässt wie wir die Insel per Fähre - dann kann man sich die Maut sparen. Das ist schon besonders, über eine so lange Brücke zu fahren. Ähnliches kennen wir bislang nur aus Florida von den Keys. Aber auch das geht hier ganz entspannt, da wie immer wenig Verkehr ist. Und praktisch ist hier in Canada auch, dass sie das metrische System verwenden wie wir. Alle Angaben in km oder km/h - keine besondere Aufmerksamkeit erforderlich wir in den USA mit Meilen (und Fahrenheit etc.).

Hinter der Brücke erwarten wir ein Visitor Center und finden es prompt. Dort bekommen wir wertvolle Hinweise für eine Ergänzung des heutigen Programms. Ich äußere meinen Wunsch, ein paar farbenfrohe Bilder machen zu wollen und werde bestens mit Tipps bedient. Leider ist oft Gegenlicht, so dass der Himmel keine Struktur hat auf den Bildern.

Wir fahren einige abgelegene Punkte auf Empfehlung an; dabei geht es manchmal über staubige Off-Road-Strecken. Zunächst fahren wir Chelton Beach PP an, von wo aus die Confidential Bridge zum Teil zu sehen ist. Es folgt das Sea Cow Lighthouse, das an der Steilküste steht, die hier mit rotem Sand aufwartet. Und mit einem unglaublichen Wind, der uns mächtig um die Ohren pfeift. Die Gischt spritzt, feinste Sandkörnchen picken auf unserer Haut.

Am Wegesrand immer wieder: sehr schöne Häuser „in the middle of nowhere“. Nächster Stopp: Spinnakers Landing in Summerside. Bunte Läden um eine kleine Lagune an der Waterfront. Sehr hübsch!

Zurück Richtung Charlottetown fahren wir „Victoria By Te Sea“ an - das hatten wir gar nicht auf dem Schirm. Aber die kleine Häusersiedlung hat einiges zu bieten. Ein hübsches Lighthouse, ein türkisfarbenes Visitor Center, einige schmucke Galerien und Andenkenläden und eine Wharf mit der Lobster Barn. So einen kleinen Snack können wir uns zwischendurch gönnen. So erstehen wir eine Loster Roll, die besser ist als die letzte Tage, aber natürlich nicht mit unserem selbstgeknackten Hummer von gestern mithalten kann.

Die Fahrt durch landschaftlich schöne Strecken ist toll. Eine sanfte Hügellandschaft begleitet uns - und natürlich immer wieder der Blick aufs Wasser.

Am Rocky Point haben wir einen ersten Blick auf Charlottetown. Die beiden Türme der großen Basilika sind gut sichtbar. Wir schlendern am Strand entlang, es ist Ebbe. Eine große Truppe junger Leute sitzt im beachtlichen Stuhlkreis, die keinen Kids spielen im Ebbematsch - tolle Kindheit.

Dann sind wir an der Unterkunft in Downtown Charlottetown angekommen. „Boutique-Hotel“ nennt sich das Harbour House. Von außen kommt es viktorianisch daher, von innen gediegen englisch. Es liegt aber sehr zentral und so sind wir schnell im Ortskern und an der Waterfront. Dort bekommt Gabi ein Heidelbeer-Eis aus der „Cow-Ice-Manufaktur“. Davon schwärmen alle bei YouTube. Es ist vor allem eines: groß - aber schmackhaft, wenn auch nicht zu vergleichen mit italienischem Eis.

Auch hier an der Waterfront gibt es eine große 2025 - ein gefragtes Fotomotiv. Wir kehren in den Olde Irish Pub ein. Dort gibt es Austern zur Happy Hour. Da Austern aber nicht so ganz nach unserem Geschmack sind, entscheidet sich Gabi für Fish-Cakes (die sich als äußerst schmackhafte Fischfrikadellen entpuppen) mit Salat; ich nehme den Island-Burger mit Fries. Dazu Bier vom Fass (Red Irisch und Pilsener) und Cider für Gabi. Wir sitzen an der fischen Luft und können Leute gucken. Ich muss zwischendurch immer wieder meine Mückenstiche von gestern behandeln, die jucken wie Hölle.

Satt kehren wir in unsere Unterkunft zurück. Hier warten die täglichen ToDo’s: Kamera reinigen, Akku laden, Fotos sichten, taggen (die Z8 verbindet sich mit dem iPhone und zieht von dort die GPS-Daten - sehr nützlich!!) und z.T. bearbeiten, Tagebuch schreiben, Website gestalten, Backup der Daten machen etc. Das ist jetzt bald erledigt und dann ist Feierabend. Das war ein farbenfroher Tag, der uns bedien sehr gut gefallen hat. Schlaft gut - bis morgen!!

Tagesetappe: 265 Kilometer
Übernachtung: The Harbour House, 9 Grafton St, Charlottetown, PE C1A 1K3

Lobster Party

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Gabi im Kouchibouguac NP, Loggiecroft, Fisherman's Refuge, NB

Ich muss mich kurz fassen, es ist schon spät. Was für ein Tag - was für ein Genuss!!

Frühstück um 08:00 Uhr - lecker wie gestern, Unterhaltung mit den lieben Leuten aus Niagara Falls, herzliche Verabschiedung vom Inhaber. Ein Blick auf das Ergebnis der deutschen Fußballnationalmannschaft gestern Abend (mit offensichtlich katastrophaler Nicht-Leistung 0:2 verloren in der WM-Quali gegen die Slowakai) - gruselig!!

Nach gut 90 Minuten entspannter Fahrt (hier sind so wenige Autos unterwegs und die Fahrerei ist ein Kinderspiel!) erreichen wir den Kouchibouguac NP. Im Visitor Center erfahren wir, dass man den südlichen vom nördlichen Teil unterscheidet - eine Wasserstraße, der Kouchibouguac River trennt beide Teile; wir starten im Süden und folgen den Empfehlungen aus dem Visitor Center.

Der Kouchibouguac National Park liegt an der Ostküste von New Brunswick, direkt am Golf von St. Lawrence. Schon bei der Anfahrt wirkt alles weit, still und grün. Der Name kommt aus der Sprache der Mi’kmaq und bedeutet „Fluss der langen Gezeiten“. Und genau das findet man hier: ein Küstenabschnitt, der geprägt ist von Lagunen, Marschland, endlosen Sanddünen und langen Stränden.

Typisch für den Park sind die weiten Küstenlandschaften mit ihren Salzwiesen und die geschützten Sandinseln, die sich wie ein Riegel vor die Küste legen. Das Wasser ist dadurch ruhiger und wärmer als anderswo am Atlantik, und im Sommer gilt der Park als einer der besten Badeplätze in New Brunswick. Zugleich ist er ein wichtiges Schutzgebiet: hier brüten die vom Aussterben bedrohten Zwergseeschwalben, und auch die großen Grauen Robben findet man oft an den Sandbänken.

Für Besucher gibt es ein Netz aus Radwegen und Wanderpfaden, dazu Kanutouren auf den ruhigen Flussarmen. Man ist schnell mittendrin in einer Mischung aus Küstenwildnis und Strandidylle. Wer den Atlantik eher rau und windig kennt, erlebt hier eine überraschend sanfte Seite – und hat oft das Gefühl, einen endlosen Strand fast für sich allein zu haben.

So absolvieren wir zunächst den Beaver Trail - ohne jedoch Biber zu sehen. Dafür hatten wir eben am Visitor Center einen nachbebauten Biberbau bewundern können. Dann fahren wir zu Kellys Beach, dem wohl bekanntesten Badestrand hier. Erstaunlich, dass auch hier kaum was los ist. Vom Parkplatz geht es über einen langen Boardwalk hinüber in die Dünen und an den Strand. Einige Möwen lassen sich bereitwillig fotografieren - die Farben knallen in Grün-, Rot- und Blautönen. Es ist 26 Grad warm wie die ganzen letzten Tage - traumhaft!

Es folgt ein kurzer Abstecher nach Ryan - hier können wir auf die andere Seite des Kouchibouguac River schauen, dort legen offensichtlich gerade Fischerboote an, die nach getaner Arbeit zurückkehren. Also fahren wir in den nördlichen Teil genau dorthin. Loggiecroft heißt dieser Ort; wir stellen das Auto ab und schauen den Fischern beim Löschen der Ladung zu. Obwohl die Boote eher klein anmuten, kommt da ganz schön was rüber. Große Mengen Lobster auf Eis in Kisten werden ausgeladen und per Gabelstapler in Kühl-LKWs umgepackt. Dafür werden große Mengen Kisten gefrorenen Fisches zurück auf die Boote gepackt. Auf Nachfrage erfahre ich, dass das der noch gefrorene Köderfisch für morgen früh ist. Allein diese Mengen lassen erahnen, wie viel Lobster hier gefangen wird - 964 Tonnen waren es in New Brunswick in 2024.

Gleich gegenüber ist eine einsame Hütte, das „Fisherman's Refuge“. Wir gehen rüber und ich spreche eine Dame an, die offensichtlich eine ziemliche Menge Hummer in einem großen Topf auf Gasflamme in einer Art Garage kocht. Tatsächlich passiert jetzt etwas, das ich nicht für möglich gehalten hätte: der Hummer gelangt direkt vom Boot in diesen Topf, von dort nach 13 Minuten Kochzeit in eine Wanne mit kaltem Wasser (damit sich das Fleisch von den Schalen löst - abschrecken wie bei Eiern) und von dort direkt in Gabis Kühltasche auf Eis. Unglaublich - sowohl die Farbe, als auch die Frische und der Preis: umgerechnet 18,50 € zahle ich für zwei dieser Prachtexemplare. „So frisch bekommt ihr nirgendwo den Hummer!“ Recht hat sie - ich kann es immer noch nicht glauben.

Wir nehmen nun noch den Osprey Trail in Angriff und schaffen auch gut 3 km in ziemlichem Tempo. Dann müssen wir aber leider abbrechen - die Moskitos fressen uns auf. Ich bin völlig zerstochen. Letzter Trip: der Claire-Fontaine Trail. Nochmal 3,3 km - Gabi düst in einem Affenzacken voran; das grenzt schon fast an Jogging. Können wir so den Moskitos entgehen, die sich auch hier auf uns stürzen? Fast - einige lassen jedenfalls ihr Leben, bluten aber auch mein Blut, dass sie sich vorher geklaut haben.

Nun fahren wir über die Nebenstrecke und Richiboucto zur Unterkunft. Französisch hat hier Vorrang; auch auf den Schildern am Straßenrand steht erst die französische, dann die englische Bezeichnung.

Zimmer beziehen und jetzt: Hummer genießen. Wir setzen uns raus auf die Terrasse und Gabi zerlegt die Tiere. Eine Anleitung dazu hatte ich ja glücklicherweise gestern schon bei Tipsy Trails in Alma fotografiert. Es ist eine ziemliche Schlacht - muss aber wohl so sein. Zu den edlen Meerestieren genießen wir Nachos & Salsa, Thousand Island-Dressing und Möhrchen. So lecker!!

Wir machen uns dann über die Fotos her, Gabis schreibt auch Tagebuch. Als wir dann später aufs Zimmer gehen treffen wir im Speiseraum auf 5 Kanadier/innen, die ebenfalls frischen Hummer verspeisen. Aber in welchen Mengen? Wir dachten, dass einer pro Person normal sei - die haben aber bestimmt schon jede/r 3-4 auf und in der großen Kühlbox sind noch mindestens 8-10. Im Gespräch erfahren wir mehr: jetzt ist Saison (10.08. - 10.10.) und das sei völlig normal. Im Fühjahr kaufen sie immer 50 Pfund (!) Zu 5,00 Can$ je Pfund (entsprich ca. 3,10 €/Pfund). Sie kochen diese (13 Minuten, nachdem das Wasser mit den Tieren drin sprudelt), nehmen sie auseinander und frieren sie ein. Die gehen damit verschwenderischer um als wir mit Grillwürstchen. Sagenhaft!

Jetzt ist das Tagebuch fertig - es gibt noch ein paar Chips und Wein. Eine irre Lobster-Party heute und wenn das „normal“ ist, dann werden wir das bestimmt nochmal wiederholen in den nächsten Tagen. Gute Nacht!

Tagesetappe: 244 Kilometer
Übernachtung: Auberge Bouctouche Inn & Suites, 50 Rue Industrielle, Bouctouche, NB E4S 3H9

Hiking in the woods

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Jürgen im Tipsy Tails Restaurant, Alma, NB

Das Zimmer ist einfach, die Nacht war gut. Um 07:00 Uhr bin ich wach. Es gibt hier nicht nur wenige Steckdosen, um die diversen Elektrogeräte zu laden, die wenigen vorhandenen sind auch noch so labberig, dass die Stecker immer rausflutschen. Das ist ein bekanntes Problem, auch in den USA, nervt aber jedes mal aufs Neue. Gabis iPhone und Apple Watch hatte ich heute Nacht an der Powerbank - die anderen Geräte wechseln sich ab.

Um so verwunderlicher, dass wir heute beim Weg zum Frühstück in beiden Treppenhäusern jeweils 2 Steckdosen in 2,20 m Höhe auf einem Treppenabsatz entdecken. Was steckt man denn dort ein?

Bevor ich frühstücken kann muss ich aber noch eine Frage von gestern aufklären. Dass die Bay of Fundy mit dem "Rhythmus der Gezeiten mitschwingt" habe ich nicht verstanden - weder gestern im Interpretive Center noch beim Schreiben am Abend. Also recherchiere ich das nochmal im Internet und hier kommt die Auflösung:

Warum das Wasser hier so extrem steigt und fällt, hat mit der Form der Bay zu tun. Am einfachsten lässt sich das mit einer Schaukel vergleichen: stößt man sie immer genau im richtigen Moment an, schwingt sie höher und höher. Genauso ist es hier – der Rhythmus von Ebbe und Flut passt fast genau zur Länge der Bucht.

Jede neue Flutwelle verstärkt also die vorige, das Wasser schaukelt sich regelrecht auf. Weil sich die Bay zudem wie ein Trichter verengt, staut sich das Ganze noch zusätzlich. Heraus kommt ein Tidenhub, der mit über 20 Metern der größte der Welt ist - Weltrekord!

Jetzt zum Frühstück. Wir sitzen bei einem Paar aus Ontario, quatschen und lassen uns Bagel, Toast, Eier, Obst, Yoghurt, O-Saft, Kaffee & co. schmecken. Alles ohne Plastikteller oder -besteck; das ist vorbildlich.

Um 09:00 Uhr sind wir wieder bei den Hopefull Rocks, gehen die Aussichtspunkte in umgekehrter Reihenfolge noch einmal ab und schauen uns an, wie das hier bei „High Tide“ aussieht. Ok, so einen bis zwei Meter müssen wir uns noch dazu „denken“, wir sind etwas früh - bis zum Höchststand gegen 10:00 Uhr ist es noch etwas Zeit. Unglaublich, dass diese gigantischen Mengen Wasser seit gestern Mittag schon 2 x in die Bay hinein- und einmal in der Nacht hinausgeflossen sind. Wir treffen die 2 Mädels wieder, die uns gestern ständig im Weg standen mit ihren „ich mach mal ein 360-Grad-Video bei dem sich alle meine Freundinnen übergeben müssen weil ich mich so schnell um die eigene Achse drehe“. Als wir am Parkplatz aus dem Auto stiegen, hielten sie genau vor uns. Wir mussten alle heftig lachen und ich erfuhr, dass die beiden eine Kajaktour gestern Morgen bei Hochwasser gemacht hatten. Ein echtes Abenteuer mit 60-70 cm hohen Wellen. Es gibt in der Bay auch Raftingtouren mit dem einströmenden Hochwasser - irre, wie das abgeht, wenn die Flut kommt.

Ähnlich eindrucksvoll wie hier bekommen wir heute den Unterschied von Flut und Ebbe in Alma, am Tor zum Fundy NP hautnah zu spüren. Dorthin fahren wir jetzt mal und in 40 Minuten sind wir dort. Wir parken am Alma Harbour und machen Bilder von den dort verankerten Booten. Es ist Hochwasser, wie ihr wisst, denn gerade waren wir deswegen ja noch bei den Hopewell Rocks. Wenn wir heute Abend zurückkommen nach Alma, wird hier Ebbe sein.

Wir lösen nun am Eingang zum Fundy NP endlich unsere Anual Pässe für die Nationalparks Canadas, die nun bis Ende September nächsten Jahres gültig sind. Ist das wohl ein Wink mit dem Zaunpfahl?

Im Visitor Center lassen wir uns ausführlich beraten und wie erwartet, wird es nicht einfach, aus der Vielzahl der Möglichkeiten auszuwählen. Luxusproblem! Immerhin erschließt ein 120 km langes Wegenetz die Küste, Berge, Täler, Flüsse und Wasserfälle des Parks. Bis zu 300m hohe Hügel der Caledonia Highlands, die hier zur Bay of Fundy abfallen, prägen das Landschaftsbild des Parks. Die Hügel im Hinterland des NP sind von tiefen Tälern durchschnitten und zumeist mit Mischwald bewachsen. Die Fauna umfasst Elche, Biber und Schwarzbären sowie den seltenen Wanderfalken. Die junge Rangerin empfiehlt und 5 Trails im Fundy NP - da haben wir einiges zu tun.

Bezüglich der Option, auch noch vom Nordrand des Parks über Little Salmon River West zum Fundy Trail Parkway zu fahren, einer malerischen Küstenstraße mit vielen Aussichtspunkten, Wanderwegen und Stränden, ist sie zwiegespalten. Das lohnt sich evtl. schon, ist aber mit viel Autofahrt verbunden und verkürzt die Aufenthaltszeit im Fundy NP.

Also nehmen wir erst mal den Dickson Falls Trail in Angriff. Das ist ein schöner Weg, der von diversen sehr gepflegten Stufenanlagen unterstützt wird. Der Weg ist das Ziel - uns ist bewusst, dass aufgrund der Trockenheit kein Wasser fließt am Wasserfall. Macht nix, das war eine schöne Runde. Und das Bild vom „trockenen“ Wasserfall ist eigentlich unbrauchbar und überflüssig. Wenn ich nicht nicht mal sehen wollte, was in 2 Minuten Photoshop zu damit zu machen wäre. „Wasserfall“ generieren - und schon wäre das Bild brauchbar - erst recht, wenn man sich mehr Mühe geben würde. Schaut euch den Vergleich mal bei den Fotos an - das hat mit Fotografie aber nix zu tun und ich werde das deshalb nicht nochmal machen! No way!

Weiter geht es die Wolfe Road entlang bis zu einer Covered Bridge. Warum die hier regelmäßig Brücken einhausen ist uns nicht klar, finden wir aber noch heraus. Schön aussehen tut es allemal. Der Shiphaven Trail eröffnet Blicke auf das Wasser und es ist gut zu sehen, dass die Ebbe eingesetzt hat, weite Flächen fallen trocken. Es hat sich zugezogen und der Wind frischt frisch auf.

Kaum sind wir später wieder auf der #114 Richtung Norden durch den Park unterwegs zeigt sich wieder der blaue Himmel und die Sonne. Die Farben knallen, wir können nicht glauben, dass wir bisher so ein Wetterglück haben.

Nun halten wir kurz an einem Aussichtspunkt an - grandiose Fernsicht. Das nächste Ziel verpassen wir knapp und landen am Bennet Lake. Schön hier, aber unsere beiden Wanderungen sollten eigentlich etwas weiter südlich stattfinden- - also nochmal rein ins Auto uns zurück. Immerhin haben wir nun entschieden, den Fundy Trail Parkway sausen zu lassen. Das wären mindestens 2,5 Stunden zusätzliche Autofahrt gewesen zzgl. der Stopps und Wanderungen. Das ist uns dann doch zu viel Fahrerei, nur um Viewpoints auf die Bay bei Ebbe zu haben. Da nutzen wir lieber das perfekte Wetter für weitere Wanderungen und kosten den Fundy NP voll aus. Gute Entscheidung!

So folgt der kürzere Caribou Plain Boardwalk und der gut einstündige Caribou Trail, jeweils durch wunderbaren Wald und mit zwischenzeitlichem Blick auf Wasserflächen. Neben den satten Grüntönen und dem Lichtspiel zwischen den unzähligen Bäumen fällt und wieder dieser süße, volle und intensive Duft auf, den der Wald auch hier verströmt. Und das außergewöhnliche Moos erweckt den Eindruck, dass der ganze Wald mit einem flauschigen Teppich ausgelegt ist. Auch die kleinen Dinge am Wegesrand verdienen Aufmerksamkeit, z.B. seltsame Pilze an den Bäumen. Es ist so schön, hier zu wandern! Und wir sind überall fast komplett allein. Alle Stunde trifft man mal Leute, aber der Eindruck ist eigentlich: wir sind allein hier unterwegs.

Zwischenfazit: bisher übertrifft unsere Reise alle unsere Erwartungen. Es ist tatsächlich das totale „we’re off“ - „wir sind weg“. Hin und weg, müsste es eigentlich heißen. Arbeit und Alltag sind so weit weg. Natur und Erlebnisse hier sind voll präsent. Ruhe, Wärme, Erholung, Genuss, Bewegung, Runterkommen und Baden in unbeschwerter Entspannung begleiten uns jede Minute. Das ist bisher der perfekte Urlaub! Und heute hatten wir einen perfekten Tag „hiking in the woods“.

Super glücklich bin ich auch mit meiner neuen Z8 und den tollen Objektiven. Von Tag zu Tag lerne ich die Kameraausrüstung mehr zu schätzen. Schnell, präzise, individuell nutzbar und so scharf. Was der Autofokus leistet ist mit Worten nicht zu beschreiben. Heute mittag habe ich ein Eichhörnchen, dass nur einen winzigsten Teil des Bildes ausmachte (ich hatte wie meist das 24-70 drauf und das kleine Kerlchen war weit weg) anvisiert und zack: der Fokus sitzt auf diesem Miniauge. Total unglaublich. Und ich habe jetzt eine Briefmarke aus dem Foto herausvergrößert; das Eichhörnchen war auf dem Foto nicht mal zu erkennen. Dabei ist das Ergebnis sogar noch gut zu verwenden.

Es ist später Nachmittag geworden und wir fahren zurück nach Alma. Dort liegen die Boote nun alle auf dem Trockenen - schaut euch mal die Bilder an und vergleicht. Gleicher Platz wie heute Vormittag - aber völlig neue Perspektiven. Und das wiederholt sich 2 Mal täglich …

Und jetzt ist es auch Zeit für unsere erste Lobster-Roll im „Tipsy Tails Restaurant“, eine der absoluten Spezialitäten hier. Hummer im Baguette-Brötchen, dazu gönne ich mir Poutine (Pommes mit Bratensoße und Cheese-Curts, Käsebrocken - auch so eine Spezialität, die wir 2023 schon getestet und für gut befunden haben.). Gabi nimmt Salat, der auch gut ist. Light-Beer vom Fass - passt schon. Lecker!!!!!

Nun machen wir noch einen Abstecher über eine sehr gewundene Strecke zum Cape Enrage mit dem ältesten Leuchtturm von New Brunswick (gebaut 1840, ersetzt 1870) und mit einem weiten Blick über die Bay of Fundy. Der Zugang ist gesperrt, aber Fotos sind möglich.

Zurück in der Unterkunft sitzen wir noch 90 Minuten draussen in der Sonne und schreiben Tagebuch. Dabei gönnen wir uns ein Glas Wein oder zwei - die Mücken, die uns hier stechen sollen ja auch ihren Spaß haben.

Als wir wieder auf dem Zimmer an den Fotos arbeiten kommt der freundliche Herr von der Rezeption über den Flur gehuscht. Er klopft an jede Tür: „Moose!!!“ Er hat draussen einen Elch entdeckt und wir stürmen in den Gartenbereich. Weg ist das Tier - zu viel Aufregung. Uns bringt dieser kleine, spontane Ausflug aber an die Bar, wo wir ein super nettes Paar aus Niagara Falls kennen lernen. Wir trinken zwei Whisky zusammen und plaudern über Gott und die Welt. Das gefällt uns. Großes Interesse haben die beiden an unseren Fotos und ich könnte mir vorstellen, dass uns jetzt zwei weitere liebe Menschen auf der Website folgen.

So, jetzt ist das Tagebuch fertig und die Fotos sind es auch. Alles noch montieren auf die Website und dann hochladen, so dass ihr morgen früh etwas zu lesen und schauen habt. Gute Nacht - morgen nehmen wir uns den nächsten Nationalpark in New Brunswick vor.

Tagesetappe: 149 Kilometer
Übernachtung: The Shepody Bay Inn, 4941 NB-114, Shepody, NB E4H 4K2

The Bay of Fundy

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Gabi im Hopewell Rocks PP, Bay of Fundy, NB

Das Frühstück im August House gibt es erst ab 08:30 Uhr, so dass wir es ruhig angehen lassen können. Wie alles hier im Haus ist auch die erste Mahlzeit des Tages liebevoll angerichtet, mit viel Gefühl für die kleinen Details. Tolles Brot, Aufstriche, Wurst und Käse, homemade Granola, Rührei, Heidelbeeren, O-Saft, Kaffee etc. - und alles ohne Plastik. Wir lassen es uns schmecken und kommen mit einem älteren kanadischen Paar ins Gespräch, die in Halifax zu Hause sind.

Wieder unterwegs fahren wir zunächst über Nebenstraßen eine gute Stunde zum Fundy Tidal Interpretive Center im South Mainland Village Park. Hier wird alles erklärt, was man zur Bay of Fundy wissen muss und eine Aussichtsplattform gibt es auch - aktuell ist Flut.

Nun stehen wir also an der Bay of Fundy, die weltberühmt ist für ihren einzigartigen Tidenhub. Um zu verstehen, was hier geschieht, lohnt ein kurzer Blick auf das große Ganze: Ebbe und Flut entstehen durch die Anziehungskraft von Mond und Sonne auf die Erde. Zweimal täglich „zieht“ der Mond das Wasser an – die Ozeane wölben sich, und an den Küsten steigen und fallen die Wasserstände. Der Unterschied kann gewaltig sein, doch in den meisten Regionen der Welt beträgt er nur wenige Meter.

Ganz anders hier in der Bay of Fundy. Diese riesige Bucht zwischen Nova Scotia und New Brunswick ist so geformt, dass sie das einströmende Wasser wie in einem Trichter verstärkt. Hinzu kommt, dass die Eigenfrequenz der Bucht mit dem Rhythmus der Gezeiten „mitschwingt“ – ein perfektes Resonanzsystem. Dadurch türmt sich das Wasser höher und höher. So wird es im Interpretive Center beschrieben - verstanden habe ich das mit der „Resonanz“ nicht wirklich.

Die Zahlen allein sind aber beeindruckend: Alle sechs Stunden fließen hier bis zu 160 Milliarden Tonnen Wasser hinein und wieder hinaus – mehr als in allen Flüssen der Welt zusammen. Der Unterschied zwischen Ebbe und Flut kann an manchen Stellen über 20 Meter betragen, weltweit einmalig. Wer bei Ebbe an den Ufern steht, blickt auf weite Flächen braunen Schlicks, in denen die Boote auf dem Trockenen liegen. Nur Stunden später schwimmen dieselben Boote wieder viele Meter höher, fest vertäut am Kai.

Hier wird sehr anschaulich, wie stark Ebbe und Flut sein können. Innerhalb von 24 Stunden und 52 Minuten gibt es 2 x Ebbe und 2 x Flut - alle gut 6 Stunden fließt die vorgenannte Menge Wasser also jeweils rein und raus. Irre, oder? Erst liegt der Meeresboden trocken, dann steigen die Wassermassen innerhalb von 6 Stunden wieder viele Meter an. Häfen, Boote und Strände verändern ihr Gesicht im schnellen Rhythmus – und genau das macht die Bay of Fundy so besonders. All das werden wir heute und morgen beobachten können. Schaut mal auf die Bilder.

Nächster Stop nach einer weiteren Stunde gemütlicher Fahrt über die Autobahn gen Norden nach New Brunswick: Sackville mit dem Waterfowl Park, in dem sich über 50 Vogelarten tummeln. 3 km Wanderweg, teilweise als Boardwalk durch sumpfiges Gelände gibt es hier und wir drehen eine große Runde. Die Vögel halten sich bedeckt - kein Wunder bei der Hitze und um diese Tageszeit - die Sonne steht senkrecht. Es duftet aber sehr intensiv nach all den Kräutern und Pflanzen und es tut gut, die Füße zu vertreten. Immerhin bequemen sich einige Enten zu uns rüber. Die ersten Blätter werden bunt.

Für den Höhepunkt des Tages führt es uns abschließend zu einem der bekanntesten Orte an der Bay of Fundy – dem Hopewell Rocks Provincial Park in New Brunswick. Schon auf dem Parkplatz merken wir, dass es nicht zu voll ist. Keine Massen, kein Gedränge, nur ein paar andere Besucher – genau richtig, um die Felsformationen in Ruhe zu entdecken. Genau richtig ist auch der Zeitpunkt: 15:20 Uhr - und jetzt ist „low tide“.

Zuerst bleiben wir oben an der Treppe stehen und machen unsere ersten Fotos von den berühmten „Flowerpots“. Der Weg führt uns dann über eine Stufenanlage hinunter zum Ufer, wo bei Ebbe der „Meeresboden“ begehbar wird. Wir wandern knapp zwei Stunden durch die bizarr geformten Felsen, die wie riesige Blumentöpfe aus dem Boden ragen. Über Jahrtausende hat das Wasser diese „Flowerpots“ aus dem Fels geschliffen. Bei Flut stehen sie im Wasser, doch jetzt, bei Ebbe, spazieren wir direkt zwischen ihnen hindurch. Es ist ein eigenartiges Gefühl, dort zu laufen, wo sich wenige Stunden später wieder Millionen Tonnen Wasser auftürmen werden.

Die Zeit vergeht schnell, und wir spüren beim Gehen den lehmigen Boden unter den Schuhen. Ganz leise ist es hier – nur Möwen und das Knirschen der Schritte begleiten uns - wenn man von den zum Teil nervigen, weil immer im Weg stehenden anderen Leute absieht. Dennoch ein sehr besonderer Ort, an dem wir die Gewalt der Gezeiten nicht nur sehen, sondern unmittelbar erleben.

Später geht es wieder hinauf – der Blick vom Big Cove Lookout und auch von der Terrasse beim Restaurant ist noch einmal ganz anders und zeigt die Weite der Bay besonders eindrucksvoll.

Nur 9 Minuten sind es von hier bis zur Unterkunft für die nächsten zwei Tage. Die sind ruckzuck geschafft. Das Shepody Inn liegt recht solitär an der Landstraße und sieht recht schnucklig aus. Von innen ist es eher einfach, aber sauber und ok.

Beim Check-in wurde uns für das Abendessen die 10 Minuten entfernte Broadleaf Ranch empfohlen - also hin. Große Ranch mit riesigem Speiseraum. Nur 2 Leute drin und als die weg sind, sind wir allein mit der Kellnerin. Egal - ich bestelle BBQ Rips mit bunten Gemüsestreifen und Onion-Rings und Gabi creamy Shrimps- & Scallops-Pasta. Sehr reichhaltig, sehr lecker! Das Bier vom Fass ist eher dünn, Gabis Cider hat Geschmack.

Zurück auf dem Zimmer. Da muss jetzt der kanadische Whisky zeigen, was er kann. Und wir schreibenTagebuch und kümmern uns um die Fotos. Dann ist Feierabend - morgen geht es nochmal zu den Hopewell Rocks, denn um 10:00 Uhr ist wieder Hochwasser. Dann werden wir Vergleichsfotos machen. Und der Hauptteil des Tages sollte dem Fundy NP und evtl. dem Fundy Trail Parkway gehören. Ich bin gespannt!

Tagesetappe: 336 Kilometer
Übernachtung: The Shepody Bay Inn, 4941 NB-114, Shepody, NB E4H 4K2

© 2025 Gabi & Jürgen