Tagebuch




We love Nova Scotia

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Jürgen an der Waterfront, Halifax, NS

Nach einer sehr guten Nacht ist es praktisch, dass unser Zimmer so groß ist. Schließlich muss Gabi alle Klamotten, die uns die letzten 3 Wochen begleitet und auch unser Auto belagert haben, in 2 Koffern zzgl. Handgepäck verstauen. Das hat sie drauf - ich bewundere, dass das überhaupt geht. Das Frühstück ist prima, das Hotel wegen Ausstattung und Lage (!) Sehr zu empfehlen!

Als erstes besuchen wir heute die Halifax Citadel NHS, eine sternförmige Festung hoch über der Stadt und praktischer Weise direkt gegenüber unseres Hotels. Schon beim Hinaufgehen zum Eingang merken wir, wie dominant sie über dem Hafen thront – kein Wunder, dass die Briten hier schon 1749, im Jahr der Stadtgründung, mit Befestigungen begannen. Die heutige Anlage stammt von 1856 und ist bereits die vierte an dieser Stelle. Interessant: so massiv wie sie gebaut wurde, kam sie nie in einer Schlacht zum Einsatz. Der Eintritt ist mit unseren Jahrespässen abgegolten.

Wir schlendern durch die Kasematten und Magazine, schauen uns die Ausstellungen an und bekommen ein gutes Gefühl dafür, wie das Soldatenleben im 19. Jahrhundert hier oben ausgesehen hat. Der Freiplatz in der Mitte ist riesig. Besonders beeindruckend ist der Kanonenschuss zur Mittagsstunde, der seit 1857 täglich abgefeuert wird - um dieses Zeit sind wir aber schon lange wieder verschwunden hier. Von den Mauern aus genießen wir den weiten Blick über die Stadt und den Hafen – ein großartiger Moment, an dem sich Geschichte und Gegenwart von Halifax auf besondere Weise verbinden. Auch in eine der unterirdischen Munitionskammern verirren wir uns. Dennoch: Militär und Militärgeschichte mit den Ausstellungen all dieser Waffen, die nur dazu gemacht sind, andere Leute umzubringen, sind nicht wirklich unser Ding. Es gehört dazu, sich ein Bild zu machen und sich mit diesen Dingen zu beschäftigen. Daher sind die Beschreibungen, wie die Menschen hier in den verschiedenen Epochen gelebt haben, für uns auch durchaus interessant. So richtig „schön“ finden wir aber insbesondere Ausstellungen verschiedener Kampfmittel, Uniformen, Ehrenzeichen etc. im Army Museum, das im großen Gebäude untergebracht ist, nicht. Es wird Zeit, dass wir hier verschwinden, die ersten Busse rollen an. Unten im Hafen liegen neue Kreuzfahrtschiffe.

Vorbei am „Old Clock Tower“ spazieren wir bergab und erreichen die City Hall inkl. kleinem Triumphbogen. Und nochmal einige hundert Meter weiter bergab gelangen wir wieder an die Waterfront. Es ist nochmal ein wunderschöner Tag mit blauem Himmel und ich wundere mich immer, welche Kraft die Sonne hat. Selbst bei Temperaturen um 16 Grad (später sind es über 20) kannst du mühelos mit dem T-Shirt rumlaufen und musst dich sogar noch vor der Sonne schützen. Oben an der Zitadelle oder im Schatten der Hochhausfluchten pfeift der Wind (so kalt) und es ist extrem frisch.

An der Waterfront finden wir die maritimen Motive, aber auch viel Kunst und Straßenmusiker. Beliebt sind irische Weisen auf der Fiddle - für 5 Minuten ganz schön, aber dann wird es anstrengend. Gabi findet einen interessant beschnittenen Stein und schafft es, das Lighthouse winzig klein im Durchbruch abzubilden. „The Emigrant“ weist auf Freud und Leid der Einwanderer hin und ist ein Vorbote des Museums über die große Einwanderung nach dem 2. Weltkrieg weiter hinten im Hafen. Dort befindet sich auch der historische Farmersmarket, der mit den üblichen frischen Produkten, aber auch mit allerlei liebevoll gestalteten Handwerken und kreativen Nahrungsmitteln aufwartet. Ein buntes Gewusel an Menschen, Geräuschen und Düften begleitet uns durch die Reihen der Aussteller und Verkäufer.

Zurück an der Waterfront gehen wir nochmal zu den betrunkenen Lampen hinüber; die finden wir allzu witzig. Das Kunstwerk aus dem Jahre 2012 heißt „The way things are“. Eine Tafel beschreibt das Kunstwerk kurzgefasst so: „Die drei Skulpturen von Chris Hanson und Hendrika Sonnenberg nehmen die Form funktionierender Straßenlaternen an, die besonders „menschliche“ Dinge tun. Sie zeigen eine umgestürzte Laterne, während eine zweite Lampe scheinbar besorgt darauf herabblickt. Diese spielerische Installation verweist auf die kleinen, schelmischen Verhaltensweisen, die man in unseren Städten und an den Uferpromenaden nur allzu oft beobachten kann.“ Wir sehen hier allerdings keine betrunkenen oder herumliegenden Leute - gut so!

Nun setzen wir uns in zwei der vielen bunten, und liebgewonnenen Canada-Stühle, legen die Füße hoch und schauen mal 30 Minuten einfach so aufs Wasser. So langsam bekommen wir Lust auf ein Getränk und einen kleinen Snack. Wir verlassen daher die bunte Waterfront mit dem größeren Trubel - auch der Kreuzfahrttouristen - und schlendern wieder bergan Richtung „Innenstadt“/Downtown. Dabei begegnet uns zum x-ten Male eines dieser Amphiebienfahrzeuge der „Harbour Hopper“, die Stadtrundfahrten durchführen und am Ende einfach so in den Hafen düsen, um eine kleine Hafenrundfahrt anzuschließen. Bunt und lebhaft - so ist die Waterfront.

Nach einen Blick auf den Uhrenturm vom Rathausvorplatz aus finden wir das „Dursty Nelly“ in der Argyle Street, einen belebten Irish Pub mit einem schönen Plätzchen für uns draussen in der Nachmittagssonne. Wir teilen uns Pulled Pork Nachos mit BBQ-Soße (die Nachos sind diesmal frittiert, bevor sie mit all den Zutaten überbacken wurden) dazu gibt es wie immer ein Bierchen bzw. Cider. So vergeht die Zeit.

Ein Stündchen haben wir noch, dann sollten wir aufbrechen Richtung Airport. Was noch fehlt von den Sehenswürdigkeiten der Stadt ist der „Public Garden“. Diese Oase der Ruhe befindet sich nur 2 Blocks vom Hotel - und damit dem Stellplatz unseres Autos mit dem ganzen Gepäck - entfernt, allerdings steil bergan. Das ist aber leicht bewältigt und wir machen noch einige bunte Bilder zum Abschluss. Besonders stark vertreten sind hier Dahlien, die in vielen Farben und Formen daherkommen. Auf einem Teich grüßt die Titanic noch einmal, dann heißt es auch für uns Abschied zu nehmen. Wie hieß es heute Vormittag auf einer der farbigen Wandmalereien? „We love Nova Scotia“ - das können wir unterschreiben und wir waren bestimmt nicht zum letzten Mal hier.

Die Fahrt zum Airport dauert mit einer Stunde doppelt so lange wie die Hinfahrt vor drei Wochen. Der Grund: Brückensperrung - und ohne die große Brücke über die „Narrows“ ergeben sich auch hier größere Umwege. Die Fahrt ist aber nochmal sehr schön, führt sie doch (langsam, wegen Geschwindigkeitsbegrenzungen) durch Vororte und am Wasser entlang. Mit der üppigen Natur ist das noch einmal eine Erinnerung an die Küstenstraßen der vergangenen Tage - eine schöne Ergänzung unseres ohnehin gelungenen Abschlusstages.

Die Rückgabe des Mietwagens ist wie gewohnt eine Sache von 2 Minuten. Der Airport ist klein, weshalb es auch keinerlei Wartezeiten bei der Gepäckaufgabe oder Sicherheitskontrolle gibt. Letztere beschäftigt mich dann aber geschlagene 30 Minuten. Das meine Kameraausrüstung auf Sprengstoff untersucht wird, habe ich in all den Jahren ja schon oft erlebt. Diesmal haben sie aber Spurenelemente eines verdächtigen Stoffes aufgespürt. Daher nehmen sie auch von meinen Handinnenflächen, meiner Hüfte und Knöcheln Proben und unterziehen mich einer intensiven Körperkontrolle. Der Rucksack geht noch einmal durch den Scanner und wird dann komplett auseinander genommen. Ich erkläre, wofür die ganzen Einzelteile sind - alles super freundlich; der Kontrolleur ist sogar sehr interessiert an Details zu Kamera und Objektiven. Am Ende ist alles gut (natürlich, ich habe ja nix zu verbergen), wir füllen gemeinsam noch ein Formular aus und ich bedanke mich für die sorgfältige Kontrolle. Dass die Officers so genau sind, dient ja schließlich auch unserer eigenen Sicherheit.

Um die Zeit bis zum um 30 Minuten verspäteten Boardings zu überbrücken gibt es noch ein letztes Bier und eine Margaritha an der Bar; Gabi schreibt Tagebuch und ich schaue mir Videos zu den neuen Betriebssystemen für Mac, iPhone und iPad an. Die werde ich installieren, wenn wir wieder zu Hause sind („never change a running system“ - jedenfalls nicht, wenn du wie wir hier im Urlaub auf die Geräte angewiesen bist).

Der Flug ist mit 6,5 Stunden kurz; um 07:20 Uhr sind wir in Frankfurt; die Nacht war wegen der Zeitumstellung für uns 5 Stunden kürzer. Dann geht alles wider erwarten sehr schnell. Immer müssen wir ewig auf die Koffer warten - jetzt sind sie Nr. 3 und 5, die vom Band rollen. Überraschung - auf zum Fernbahnhof. Einen optimalen ICE nach Düsseldorf verpassen wir um nur 1 Minute. Die Wege sind halt weit auf dem Airport FRA. Aber der nächste kommt schon in 15 Minuten. Den müssen wir in Köln verlassen, bekommen aber dort sofort Anschluss nach Düsseldorf. Und da können wir die RE 10 eigentlich nicht erreichen, weil sie zeitgleich abfahren müsste, wie unser ICE einläuft. Trotz Fußweg von Gleis 18 zu 5 schaffen wir es aber. Diesmal ist es gut, dass der RE 10 fünf Minuten später abfährt. So sind wir bereits um kurz vor 11 Uhr in Nieukerk. Ich hole schnell das Auto von zu Hause, dann sind auch die Koffer und Gabi wieder daheim.

Und so endet auch dieses Tagebuch am „Tag danach“. Fazit? Es war eine tolle und vor allem super entspannte und entspannende Reise. Ich bin überrascht, dass aus den als kürzeste Strecke „geplanten“ 3.500 km am Ende 5.007 km wurden, die wir mit unserem Ford zurückgelegt haben. Die Abstecher, Umwege und Ausflüge in diesem riesigen Land machen sich bemerkbar; sind aber jeden Kilometer Wert, denn: „Der Weg ist das Ziel!“

Im Gegensatz zu den USA und dem westlichen Kanada stehen hier im maritimen „Atlantic Canada“ an der Ostküste nicht die großen Nationalparks mit ihren spektakulären Landschaften („Gros Morne NP“ ausgenommen) im Fokus. Hier geht es mehr um das Lebensgefühl und die Mischung aus hügeliger Berglandschaft, die immer vom Wasser (Seen, Fjorde, Flüsse, Meer) begleitet wird. Kaum Menschen und Autos, viel Landschaft, sagenhaft viele Bäume und die relaxte Einstellung der Menschen hier hat für uns einen unfassbaren Erholungswert gehabt.

Das Fotografieren mit der Z8 und der „Holy Trinity“ hat super viel Spaß gemacht. Der Umstieg von jahrzehntelanger DSLR-Praxis (Spiegelreflex) auf die Systemkamera ist tatsächlich erwartet ungewohnt. Vieles ist anders - in der Nikon-Welt aber sehr leicht verständlich; die Handhabung ist in wesentlichen Punkten sehr gewohnt. Der Autofokus ist der Hammer, der Dynamikumfang super und die hohe Auflösung auch. Dazu kommt die ausgefuchste Möglichkeit, individuelle Einstellungen und Tastenbelegungen festzulegen. Automatikprogramme fehlen verständlicherweise bei dieser Kategorie komplett, was auch Gabi animiert hat, sich intensiver als sonst damit zu beschäftigen, wie gute Fotos gelingen können. Auch der Austausch mit ihr hat viel Spaß gemacht. Zusätzlich hat sie hin und wieder ein Foto beigesteuert, das sie mit ihrem iPhone gemacht hat - darin ist sie nämlich auch wirklich gut.

Reisen ist und bleibt unser liebstes Hobby. Hoffen wir, gesund und munter zu bleiben. Und gehen wir mal davon aus, dass die „Welt“ irgendwann auch wieder in ein vernünftiges Fahrwasser kommt und nicht noch mehr aus dem Gleichgewicht gerät. Daran müssen wir alle arbeiten, auch wenn unser Einfluss darauf beschränkt ist. Aber: jeder kleine Schritt zählt. So werden wir hoffentlich bald ein neues Reisekapitel aufschlagen und dann auch wieder ein neues Reistagebuch eröffnen. Bis dahin tun wir, was wir gerne tun und genießen unser schönes Zuhause und die lieben Menschen, die wir hier nicht vermissen müssen. In diesem Sinne: wir sehen uns - bis bald!!

Tagesetappe: 44 Kilometer
Übernachtung: Discover Airlines (Lufthansa)

© 2025 Gabi & Jürgen