Tagebuch




Another long day

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Jürgen in Peggy's Cove, NS

Der Anreisetag war sehr lang, bis wir endlich im Bett lagen. Und der Sonntag war dann überraschend ein weiterer, sehr langer Tag. Gut geschlafen - aber: die Nacht war kurz. Das war zu erwarten, denn das sind erste Nächte immer nach der Zeitumstellung. Um 05:15 Uhr sind wir beide wach, die innere Uhr sagt schließlich: 10:15 Uhr.

Also raus aus den Federn, Sachen zusammenpacken, um 06:00 Uhr ist Frühstück und wir sind pünktlich. Das Frühstück hier im Hampton Inn kann sich sehen lassen: neben Kaffee und viel frischem Saft gönnen wir uns Bagels, Frischkäse, die auch als Hashbrowns bezeichneten Kartoffelrösti, Rührei mit Green Onions und Käse, kleine Würstchen, Tomate & co. Waffeln, Pfannkuchen und Müsli passen nicht mehr rein.

Um 06:30 Uhr habe ich das Auto aus dem Parkhaus geholt, wir beladen den Escape und rollen durch das morgendliche immer noch tiefenentspannte, ruhige Halifax. Die Stadt werden wir an unseren letzten beiden Tagen diesen Urlaubs näher kennenlernen. Darauf darf ich mich freuen, denn sie gefällt mir schon jetzt sehr gut, obwohl ich sie bisher nur im Dunkeln gesehen habe.

Wir nehmen die sogenannte Lighthouse-Route zu unserem ersten Ziel: Peggy’s Cove, dem meistbesuchten und -fotografierten Leuchtturm Canadas. Da haben wir wahre Horrorgeschichten gelesen und gehört, was die regelmäßig ab 09:00 Uhr einfallenden Menschenmassen angeht. Da kannst du kein Bild mehr vom Leuchtturm machen, ohne hunderte Persönlichkeitsrechte zu verletzen. Deswegen sind wir froh, dass uns ein früher Aufbruch gelungen ist. Aber der beschert uns auf der Fahrt bereits ein zauberhaftes Morgenlicht. Wir fahren durch Wald und immer an Buchten, Seen und viel Wasser vorbei; wir sind tatsächlich angekommen in Canada.

Einmal muss ich anhalten und die Lichtstimmung festhalten. Das scheint gelungen.

So sind wir um 07:40 Uhr an Peggy’s Cove und außer uns sind ganze 4 Leute hier. Das hatte ich nicht zu hoffen gewagt. Super! Auch wenn es hier wolkenvergangen ist und die Sonne noch nicht durchkommt macht es Spaß, hier über die Felsen zu klettern und den adretten Leuchtturm von allen Seiten abzulichten. Die Kletterei muss vorsichtig angegangen werden; überall finden sich Hinweisschilder, dass Leute von plötzlicher Brandung fortgerissen wurden und hier ihr Leben ließen. Wir bewegen uns aber nicht im unmittelbaren Brandungsbereich. Gabi fotografiert natürlich auch Tiny Little Bear mit Leuchtturm, der kleine Bär ist natürlich wieder mit dabei.

Zum Einsatz kommt hier u.a. auch mein neues 14-24-Weitwinkelzoom. Das fehlte mir immer in meiner Sammlung und jetzt habe ich es mir gegönnt. Damit zu fotografieren ist sehr anspruchsvoll. Es ist einfach sehr viel drauf auf dem Bild und da gilt es, geschickt zu komponieren. Ich übe noch, aber das wird schon.

Als langsam mehr Leute am Leuchtturm rumstiefeln gegen wir noch eine kleine Runde durch den „Ort“ und treffen dabei einen freundlichen Herrn, der ein maritimes Motiv auf die Leinwand bannt. Wir unterhalten uns ein wenig und machen uns dann auf die Weiterfahrt. Bis Mahone Bay ist es eine knappe Stunde und auch hier drehen wir eine Runde entlang der Hauptstraße mit vielen bunten Geschäften und Villen. Es handelt sich hier um einen 1754 gegründeten, pittoresken Ort mit farbenfrohen Holzhäusern und 6 Kirchtürmen, Läden, Gallerien und Cafes. Drei Kirchen stehen gleich nebeneinander, aus einer klingt Orgelmusik. Wir gehen hinein - der Organist spielt sich warm; um 11:00 Uhr ist hier Gottesdienst - da hat er noch eine Stunde Zeit.

Auch das anschließend folgende Lunenburg wartet mit bunten Häusern auf. Lunenburg wurde 1753 von deutschen und schweizer Siedlern gegründet. Das älteste Gebäude ist von 1760; Lunenburg ist UNESCO Weltkulturerbe. Viele der Holzhäuser der Altstadt stammen noch aus dem 18. und 19. Jahrhundert und befinden sich in einem gepflegten baulichen Zustand. Bei bestem Wetter macht es tierisch Spaß, hier zu bummeln. Durch den frühen Start sind wir den Bussen immer 1-2 Stunden voraus. Als die ersten hier eintreffen, machen wir uns wieder auf den Weg. Der bekannte Schoner „Bluenose 2“, der auch auf der Canadischen 10-Cent-Münze abgebildet ist, sehen wir nicht - das Segelschiff scheint unterwegs zu sein.

Wir fahren noch kurz hinüber zur anderen Seite der Bucht, wo sich am Golfplatz ein guter Fotospot befindet. Das rote „Maritime Museum of the Atlantic“ präsentiert sich von hier aus jenseits der Bucht besonders schön.

Nun müssen wir einkaufen und dafür haben wir uns das auf dem Weg liegende Bridgewater ausgesucht, das Versorgungszentrum der Region. Ziel ist der „Real Atlantic Superstore“, ein - wie der Name schon sagt - ziemlich großer Supermarkt. Da wir uns heute Abend, morgen und übermorgen früh selbst verpflegen müssen, füllt sich der Einkaufswagen beträchtlich. Wir erkunden dir Regale und Angebote und entscheiden uns zwischendurch auch immer mal wieder um, wenn wir etwas finden, das noch besser passt. Macht Spaß! Gewöhnungsbedürftig sind die hohen Dollarpreise - das relativiert sich glücklicherweise deutlich aufgrund des für uns sehr guten Wechselkurses. Einige Zeit später verstauen wir alles im Auto. Puh!

Zur Abrundung sollten wir noch zu einem Liquor-Store fahren, denn alkoholische Getränke (und Cannabis - keine Sorge, benötigen wir nicht) bekommt man in Canada wie in den USA nicht im Supermarkt, wo auch Kinder mitkommen. Schnell gefunden, ein netter Herr möchte uns beraten. Ich frage nach einer kleinen Flasche Jack Daniels für den Genuss am Abend, wenn es mal passt. Die Antwort überrascht uns: „Sorry, wie don’t sell american products any longer!“ So kommen wir aber an ein kleines Fläschchen canadischen „Gibsons Finest 12 yo“, der sich später auf der Terrasse als wahre Vanillebombe entpuppt.

Jetzt: final destination für heute, die Mersey River Chalets im Kejimkujik NP. Ja, die Orts- und Flussnamen kommen einem immer bekannt vor hier in Nova Scotia. Und am Mersey River gibt es auch hier - wie in Great Britain - einen Ort namens Liverpool. Verrückte Welt.

Kurz vor 15:00 Uhr sind wir angekommen, das Office ist bereits besetzt und wir dürfen einchecken. Wir bekommen Zimmer Nummer 12, eines von 4 Zimmern in einem langgestreckten Holzbau. Süßes Zimmer mit Geschirr, Kühlschrank und Grill auf der Terrasse. Wir sind hier mitten im Nirgendwo. Nur ein paar Hütten unmittelbar am Harry Lake. Kajaks und Kanus liegen am Ufer zur freien Benutzung. Nur aufpassen muss man, die Seenlandschaft ist riesig hier und verfahren will sich hier keiner.

Da wir leider das Visitors Center des Kejimkujik NP auf dem Hinweg verpasst haben, fahren wir die 10 Minuten nochmal zurück, als wir das Zimmer eingeräumt haben und die Lebensmittel im Kühlschrank sind. Da wir auf dieser Reise planmäßig 7 Nationalparks besuchen wollen, möchten wir einen Jahrespass kaufen. Das ist auch hier günstiger als Einzeleintritte. Den haben sie aktuell hier nicht vorrätig. Macht aber nix - können wir im nächsten NP nachholen, am Labor-Day-Weekend ist freier Eintritt hier.

Schon beim Check-in hatten wir vom Wildfire gehört, das ca. 1 Stunde entfernt im Wald wütet. Wir sind nicht direkt betroffen, der Wind steht so, dass für hier keine Gefahr besteht. Es sind aber alle Wanderwege aktuell gesperrt. Macht nix -es gibt genug anderes zu tun und morgen wollen wir auch mal etwas ausruhen. Der kurze Trail zum Mills Fall ist offen, da vertreten wir uns doch mal kurz die Beine.

Der Kejimkujik NP ist ein „Dark Sky Preserve“, d.h. eines der Gebiete mit äußerst geringer Lichtverschmutzung und bestem Blick auf den Sternenhimmel. Im Visitors Center wurden uns zwei entlegene Orte genannt, die gut zur Sternenfotografie geeignet seien. Der „Sky Circle“ an Jakes Landing und der See bei Merrymakedge, Parkplatz Nr. 4. Beides fahren wir noch an. Ich hatte noch gefragt, ob wir dort nachts mit Bären rechnen müssten. „Ja, aber nur Schwarzbären und wenn die hören, wie ihr euch unterhaltet, verschwinden sie.“ Da wir beide als ausgesprochene Plappermäuler bekannt sind besteht also kein Grund zur Sorge. Mit der App „Photopills“ kann ich den Sternenhimmel für die Nacht simulieren; die Milchstraße müsste von beiden Plätzen aus zu sehen sein. Gut! Wir beschließen, zur dunklen Stunde nochmal nach Merrymakedge zu fahren; das ist einfacher als die Gurkerei über den Campingplatz bei Jakes Landing.

Wir erkunden noch die Umgebung unseres Zimmers, finden eine äußerst attraktiv gelegene Sauna und genießen den Blick über den Harry Lake. Jetzt haben wir aber Hunger und ich schmeiße den Grill an. BBQ-Ribs drauf und warten. Gabi zaubert aus einer halben Tüte Coleslaw, einer roten Paprika, einem halben Paket Crab-Meat (!) und einem Thousand Island Dressing einen fantastischen Salat. Dazu gibt es Nachos mit Salsa und ein Glas Wein. Lecker!! Wein? Wir wollen doch noch Auto fahren? Wollen wir nun doch nicht. Wir haben die Umgebung unseres Zimmers erkundet und den Bootsanleger für die Kajaks gefunden. Von dort müsste die Milchstraße auch gut zu sehen sein.

So machen wir uns um 20:30 Uhr mit Stativ und 14-24er die Socken. Es sind nur ein paar Schritte von der Terrasse zum Bootsanleger. Erstaunlich, wie lange es braucht, bis es ganz dunkel ist, obwohl die Sonne schon lange weg ist. Nach und nach erscheinen aber die Sterne, die sich anfangs noch im See spiegeln und ich mache viele Fotos mit verschiedenen Einstellungen. Erst mal gilt es, den richtigen Schärfepunkt zu finden. Dann ISO auf 3.200, 20 Sekunden bei Offenblende 2.8. nach und nach reduziere ich auf 15 Sekunden und sogar ISO 1.000. Wahnsinn, wie die Sterne rauskommen und aufgrund der gewählten Verschlusszeit sind sie knackscharf - keine Bewegungsunschärfe aufgrund der Erdrotation sichtbar. Später stelle ich fest, dass der hellste Teil der Milchstraße (auf den ich es eigentlich abgesehen habe) genau über uns stehen müsste. So schieße ich noch einige Aufnahmen direkt nach oben. Nett, aber noch nicht das gewünschte Ergebnis. Das war eine tolle und lehrreiche Erfahrung. Jetzt ist es aber fast 22:00 Uhr und Gabi kann nicht mehr aus den Augen gucken.

So geht ein sehr langer, aber total schöner erster Urlaubstag zu Ende. Superwetter, viel erlebt und wir schlafen hier nur mit den Geräuschen
Gabi am Kejikujik See, Kejikujik NP, NS

Tagesetappe: 36 Kilometer
Übernachtung: Mersey River Chalets, Maitland Bridge, On Route 8, Caledonia, NS B0T 1B0

Hiking in the woods

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Jürgen im Tipsy Tails Restaurant, Alma, NB

Das Zimmer ist einfach, die Nacht war gut. Um 07:00 Uhr bin ich wach. Es gibt hier nicht nur wenige Steckdosen, um die diversen Elektrogeräte zu laden, die wenigen vorhandenen sind auch noch so labberig, dass die Stecker immer rausflutschen. Das ist ein bekanntes Problem, auch in den USA, nervt aber jedes mal aufs Neue. Gabis iPhone und Apple Watch hatte ich heute Nacht an der Powerbank - die anderen Geräte wechseln sich ab.

Um so verwunderlicher, dass wir heute beim Weg zum Frühstück in beiden Treppenhäusern jeweils 2 Steckdosen in 2,20 m Höhe auf einem Treppenabsatz entdecken. Was steckt man denn dort ein?

Bevor ich frühstücken kann muss ich aber noch eine Frage von gestern aufklären. Dass die Bay of Fundy mit dem "Rhythmus der Gezeiten mitschwingt" habe ich nicht verstanden - weder gestern im Interpretive Center noch beim Schreiben am Abend. Also recherchiere ich das nochmal im Internet und hier kommt die Auflösung:

Warum das Wasser hier so extrem steigt und fällt, hat mit der Form der Bay zu tun. Am einfachsten lässt sich das mit einer Schaukel vergleichen: stößt man sie immer genau im richtigen Moment an, schwingt sie höher und höher. Genauso ist es hier – der Rhythmus von Ebbe und Flut passt fast genau zur Länge der Bucht.

Jede neue Flutwelle verstärkt also die vorige, das Wasser schaukelt sich regelrecht auf. Weil sich die Bay zudem wie ein Trichter verengt, staut sich das Ganze noch zusätzlich. Heraus kommt ein Tidenhub, der mit über 20 Metern der größte der Welt ist - Weltrekord!

Jetzt zum Frühstück. Wir sitzen bei einem Paar aus Ontario, quatschen und lassen uns Bagel, Toast, Eier, Obst, Yoghurt, O-Saft, Kaffee & co. schmecken. Alles ohne Plastikteller oder -besteck; das ist vorbildlich.

Um 09:00 Uhr sind wir wieder bei den Hopefull Rocks, gehen die Aussichtspunkte in umgekehrter Reihenfolge noch einmal ab und schauen uns an, wie das hier bei „High Tide“ aussieht. Ok, so einen bis zwei Meter müssen wir uns noch dazu „denken“, wir sind etwas früh - bis zum Höchststand gegen 10:00 Uhr ist es noch etwas Zeit. Unglaublich, dass diese gigantischen Mengen Wasser seit gestern Mittag schon 2 x in die Bay hinein- und einmal in der Nacht hinausgeflossen sind. Wir treffen die 2 Mädels wieder, die uns gestern ständig im Weg standen mit ihren „ich mach mal ein 360-Grad-Video bei dem sich alle meine Freundinnen übergeben müssen weil ich mich so schnell um die eigene Achse drehe“. Als wir am Parkplatz aus dem Auto stiegen, hielten sie genau vor uns. Wir mussten alle heftig lachen und ich erfuhr, dass die beiden eine Kajaktour gestern Morgen bei Hochwasser gemacht hatten. Ein echtes Abenteuer mit 60-70 cm hohen Wellen. Es gibt in der Bay auch Raftingtouren mit dem einströmenden Hochwasser - irre, wie das abgeht, wenn die Flut kommt.

Ähnlich eindrucksvoll wie hier bekommen wir heute den Unterschied von Flut und Ebbe in Alma, am Tor zum Fundy NP hautnah zu spüren. Dorthin fahren wir jetzt mal und in 40 Minuten sind wir dort. Wir parken am Alma Harbour und machen Bilder von den dort verankerten Booten. Es ist Hochwasser, wie ihr wisst, denn gerade waren wir deswegen ja noch bei den Hopewell Rocks. Wenn wir heute Abend zurückkommen nach Alma, wird hier Ebbe sein.

Wir lösen nun am Eingang zum Fundy NP endlich unsere Anual Pässe für die Nationalparks Canadas, die nun bis Ende September nächsten Jahres gültig sind. Ist das wohl ein Wink mit dem Zaunpfahl?

Im Visitor Center lassen wir uns ausführlich beraten und wie erwartet, wird es nicht einfach, aus der Vielzahl der Möglichkeiten auszuwählen. Luxusproblem! Immerhin erschließt ein 120 km langes Wegenetz die Küste, Berge, Täler, Flüsse und Wasserfälle des Parks. Bis zu 300m hohe Hügel der Caledonia Highlands, die hier zur Bay of Fundy abfallen, prägen das Landschaftsbild des Parks. Die Hügel im Hinterland des NP sind von tiefen Tälern durchschnitten und zumeist mit Mischwald bewachsen. Die Fauna umfasst Elche, Biber und Schwarzbären sowie den seltenen Wanderfalken. Die junge Rangerin empfiehlt und 5 Trails im Fundy NP - da haben wir einiges zu tun.

Bezüglich der Option, auch noch vom Nordrand des Parks über Little Salmon River West zum Fundy Trail Parkway zu fahren, einer malerischen Küstenstraße mit vielen Aussichtspunkten, Wanderwegen und Stränden, ist sie zwiegespalten. Das lohnt sich evtl. schon, ist aber mit viel Autofahrt verbunden und verkürzt die Aufenthaltszeit im Fundy NP.

Also nehmen wir erst mal den Dickson Falls Trail in Angriff. Das ist ein schöner Weg, der von diversen sehr gepflegten Stufenanlagen unterstützt wird. Der Weg ist das Ziel - uns ist bewusst, dass aufgrund der Trockenheit kein Wasser fließt am Wasserfall. Macht nix, das war eine schöne Runde. Und das Bild vom „trockenen“ Wasserfall ist eigentlich unbrauchbar und überflüssig. Wenn ich nicht nicht mal sehen wollte, was in 2 Minuten Photoshop zu damit zu machen wäre. „Wasserfall“ generieren - und schon wäre das Bild brauchbar - erst recht, wenn man sich mehr Mühe geben würde. Schaut euch den Vergleich mal bei den Fotos an - das hat mit Fotografie aber nix zu tun und ich werde das deshalb nicht nochmal machen! No way!

Weiter geht es die Wolfe Road entlang bis zu einer Covered Bridge. Warum die hier regelmäßig Brücken einhausen ist uns nicht klar, finden wir aber noch heraus. Schön aussehen tut es allemal. Der Shiphaven Trail eröffnet Blicke auf das Wasser und es ist gut zu sehen, dass die Ebbe eingesetzt hat, weite Flächen fallen trocken. Es hat sich zugezogen und der Wind frischt frisch auf.

Kaum sind wir später wieder auf der #114 Richtung Norden durch den Park unterwegs zeigt sich wieder der blaue Himmel und die Sonne. Die Farben knallen, wir können nicht glauben, dass wir bisher so ein Wetterglück haben.

Nun halten wir kurz an einem Aussichtspunkt an - grandiose Fernsicht. Das nächste Ziel verpassen wir knapp und landen am Bennet Lake. Schön hier, aber unsere beiden Wanderungen sollten eigentlich etwas weiter südlich stattfinden- - also nochmal rein ins Auto uns zurück. Immerhin haben wir nun entschieden, den Fundy Trail Parkway sausen zu lassen. Das wären mindestens 2,5 Stunden zusätzliche Autofahrt gewesen zzgl. der Stopps und Wanderungen. Das ist uns dann doch zu viel Fahrerei, nur um Viewpoints auf die Bay bei Ebbe zu haben. Da nutzen wir lieber das perfekte Wetter für weitere Wanderungen und kosten den Fundy NP voll aus. Gute Entscheidung!

So folgt der kürzere Caribou Plain Boardwalk und der gut einstündige Caribou Trail, jeweils durch wunderbaren Wald und mit zwischenzeitlichem Blick auf Wasserflächen. Neben den satten Grüntönen und dem Lichtspiel zwischen den unzähligen Bäumen fällt und wieder dieser süße, volle und intensive Duft auf, den der Wald auch hier verströmt. Und das außergewöhnliche Moos erweckt den Eindruck, dass der ganze Wald mit einem flauschigen Teppich ausgelegt ist. Auch die kleinen Dinge am Wegesrand verdienen Aufmerksamkeit, z.B. seltsame Pilze an den Bäumen. Es ist so schön, hier zu wandern! Und wir sind überall fast komplett allein. Alle Stunde trifft man mal Leute, aber der Eindruck ist eigentlich: wir sind allein hier unterwegs.

Zwischenfazit: bisher übertrifft unsere Reise alle unsere Erwartungen. Es ist tatsächlich das totale „we’re off“ - „wir sind weg“. Hin und weg, müsste es eigentlich heißen. Arbeit und Alltag sind so weit weg. Natur und Erlebnisse hier sind voll präsent. Ruhe, Wärme, Erholung, Genuss, Bewegung, Runterkommen und Baden in unbeschwerter Entspannung begleiten uns jede Minute. Das ist bisher der perfekte Urlaub! Und heute hatten wir einen perfekten Tag „hiking in the woods“.

Super glücklich bin ich auch mit meiner neuen Z8 und den tollen Objektiven. Von Tag zu Tag lerne ich die Kameraausrüstung mehr zu schätzen. Schnell, präzise, individuell nutzbar und so scharf. Was der Autofokus leistet ist mit Worten nicht zu beschreiben. Heute mittag habe ich ein Eichhörnchen, dass nur einen winzigsten Teil des Bildes ausmachte (ich hatte wie meist das 24-70 drauf und das kleine Kerlchen war weit weg) anvisiert und zack: der Fokus sitzt auf diesem Miniauge. Total unglaublich. Und ich habe jetzt eine Briefmarke aus dem Foto herausvergrößert; das Eichhörnchen war auf dem Foto nicht mal zu erkennen. Dabei ist das Ergebnis sogar noch gut zu verwenden.

Es ist später Nachmittag geworden und wir fahren zurück nach Alma. Dort liegen die Boote nun alle auf dem Trockenen - schaut euch mal die Bilder an und vergleicht. Gleicher Platz wie heute Vormittag - aber völlig neue Perspektiven. Und das wiederholt sich 2 Mal täglich …

Und jetzt ist es auch Zeit für unsere erste Lobster-Roll im „Tipsy Tails Restaurant“, eine der absoluten Spezialitäten hier. Hummer im Baguette-Brötchen, dazu gönne ich mir Poutine (Pommes mit Bratensoße und Cheese-Curts, Käsebrocken - auch so eine Spezialität, die wir 2023 schon getestet und für gut befunden haben.). Gabi nimmt Salat, der auch gut ist. Light-Beer vom Fass - passt schon. Lecker!!!!!

Nun machen wir noch einen Abstecher über eine sehr gewundene Strecke zum Cape Enrage mit dem ältesten Leuchtturm von New Brunswick (gebaut 1840, ersetzt 1870) und mit einem weiten Blick über die Bay of Fundy. Der Zugang ist gesperrt, aber Fotos sind möglich.

Zurück in der Unterkunft sitzen wir noch 90 Minuten draussen in der Sonne und schreiben Tagebuch. Dabei gönnen wir uns ein Glas Wein oder zwei - die Mücken, die uns hier stechen sollen ja auch ihren Spaß haben.

Als wir wieder auf dem Zimmer an den Fotos arbeiten kommt der freundliche Herr von der Rezeption über den Flur gehuscht. Er klopft an jede Tür: „Moose!!!“ Er hat draussen einen Elch entdeckt und wir stürmen in den Gartenbereich. Weg ist das Tier - zu viel Aufregung. Uns bringt dieser kleine, spontane Ausflug aber an die Bar, wo wir ein super nettes Paar aus Niagara Falls kennen lernen. Wir trinken zwei Whisky zusammen und plaudern über Gott und die Welt. Das gefällt uns. Großes Interesse haben die beiden an unseren Fotos und ich könnte mir vorstellen, dass uns jetzt zwei weitere liebe Menschen auf der Website folgen.

So, jetzt ist das Tagebuch fertig und die Fotos sind es auch. Alles noch montieren auf die Website und dann hochladen, so dass ihr morgen früh etwas zu lesen und schauen habt. Gute Nacht - morgen nehmen wir uns den nächsten Nationalpark in New Brunswick vor.

Tagesetappe: 149 Kilometer
Übernachtung: The Shepody Bay Inn, 4941 NB-114, Shepody, NB E4H 4K2

Colourful PEI

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Gabi am Visitor Center, Victoria, PEI

Eines vorweg: „PEI“ ist die Abkürzung von Prince Edward Island - und das wiederum ist unsere Spielwiese für heute und morgen. Farbenfroh präsentierte sich diese Insel uns heute bei bestem Wetter - wir haben abends immer noch 28 Grad Wärme; unglaublich. Aber: morgen soll es wohl auch (warmen) Regen geben. Mal sehen.

Das Frühstück in Bouctouche ist ok, erwartungsgemäß. Rührei, Bacon, Toast, Cornflakes, Obst und Youghurt begleiten Kaffee und O-Saft. Guter Standard.

Unsere Sachen sind schnell im Auto - los geht es. Nur 30 Minuten trennen uns von Shediac, der „Lobster Capital of the world“ mit einer gigantischen Lobster-Statue („Giant Lobster“) an der Westeinfahrt des Städtchens in der Nähe des bunten Visitor Centers. Da knüpfen wir doch gleich mit ein paar Bildern an die Lobster-Party von gestern an. Lebensgroße Hummer zum Verzehr gäbe es direkt hinter der Brücke im Shediac Lobster Shop. Den schauen wir uns an, kaufen aber nichts. Am bunten Visitor Center lernt Tiny Little Bear von einem alten Fischer ein wenig Seemannsgarn.

Weiter geht die gemütliche Fahrt zur und über die Confidential Bridge, eine 13 km lange Brücke, die das Festland von PEI trennt. Maut muss man erst auf der Rückfahrt zahlen - es sei denn, man verlässt wie wir die Insel per Fähre - dann kann man sich die Maut sparen. Das ist schon besonders, über eine so lange Brücke zu fahren. Ähnliches kennen wir bislang nur aus Florida von den Keys. Aber auch das geht hier ganz entspannt, da wie immer wenig Verkehr ist. Und praktisch ist hier in Canada auch, dass sie das metrische System verwenden wie wir. Alle Angaben in km oder km/h - keine besondere Aufmerksamkeit erforderlich wir in den USA mit Meilen (und Fahrenheit etc.).

Hinter der Brücke erwarten wir ein Visitor Center und finden es prompt. Dort bekommen wir wertvolle Hinweise für eine Ergänzung des heutigen Programms. Ich äußere meinen Wunsch, ein paar farbenfrohe Bilder machen zu wollen und werde bestens mit Tipps bedient. Leider ist oft Gegenlicht, so dass der Himmel keine Struktur hat auf den Bildern.

Wir fahren einige abgelegene Punkte auf Empfehlung an; dabei geht es manchmal über staubige Off-Road-Strecken. Zunächst fahren wir Chelton Beach PP an, von wo aus die Confidential Bridge zum Teil zu sehen ist. Es folgt das Sea Cow Lighthouse, das an der Steilküste steht, die hier mit rotem Sand aufwartet. Und mit einem unglaublichen Wind, der uns mächtig um die Ohren pfeift. Die Gischt spritzt, feinste Sandkörnchen picken auf unserer Haut.

Am Wegesrand immer wieder: sehr schöne Häuser „in the middle of nowhere“. Nächster Stopp: Spinnakers Landing in Summerside. Bunte Läden um eine kleine Lagune an der Waterfront. Sehr hübsch!

Zurück Richtung Charlottetown fahren wir „Victoria By Te Sea“ an - das hatten wir gar nicht auf dem Schirm. Aber die kleine Häusersiedlung hat einiges zu bieten. Ein hübsches Lighthouse, ein türkisfarbenes Visitor Center, einige schmucke Galerien und Andenkenläden und eine Wharf mit der Lobster Barn. So einen kleinen Snack können wir uns zwischendurch gönnen. So erstehen wir eine Loster Roll, die besser ist als die letzte Tage, aber natürlich nicht mit unserem selbstgeknackten Hummer von gestern mithalten kann.

Die Fahrt durch landschaftlich schöne Strecken ist toll. Eine sanfte Hügellandschaft begleitet uns - und natürlich immer wieder der Blick aufs Wasser.

Am Rocky Point haben wir einen ersten Blick auf Charlottetown. Die beiden Türme der großen Basilika sind gut sichtbar. Wir schlendern am Strand entlang, es ist Ebbe. Eine große Truppe junger Leute sitzt im beachtlichen Stuhlkreis, die keinen Kids spielen im Ebbematsch - tolle Kindheit.

Dann sind wir an der Unterkunft in Downtown Charlottetown angekommen. „Boutique-Hotel“ nennt sich das Harbour House. Von außen kommt es viktorianisch daher, von innen gediegen englisch. Es liegt aber sehr zentral und so sind wir schnell im Ortskern und an der Waterfront. Dort bekommt Gabi ein Heidelbeer-Eis aus der „Cow-Ice-Manufaktur“. Davon schwärmen alle bei YouTube. Es ist vor allem eines: groß - aber schmackhaft, wenn auch nicht zu vergleichen mit italienischem Eis.

Auch hier an der Waterfront gibt es eine große 2025 - ein gefragtes Fotomotiv. Wir kehren in den Olde Irish Pub ein. Dort gibt es Austern zur Happy Hour. Da Austern aber nicht so ganz nach unserem Geschmack sind, entscheidet sich Gabi für Fish-Cakes (die sich als äußerst schmackhafte Fischfrikadellen entpuppen) mit Salat; ich nehme den Island-Burger mit Fries. Dazu Bier vom Fass (Red Irisch und Pilsener) und Cider für Gabi. Wir sitzen an der fischen Luft und können Leute gucken. Ich muss zwischendurch immer wieder meine Mückenstiche von gestern behandeln, die jucken wie Hölle.

Satt kehren wir in unsere Unterkunft zurück. Hier warten die täglichen ToDo’s: Kamera reinigen, Akku laden, Fotos sichten, taggen (die Z8 verbindet sich mit dem iPhone und zieht von dort die GPS-Daten - sehr nützlich!!) und z.T. bearbeiten, Tagebuch schreiben, Website gestalten, Backup der Daten machen etc. Das ist jetzt bald erledigt und dann ist Feierabend. Das war ein farbenfroher Tag, der uns bedien sehr gut gefallen hat. Schlaft gut - bis morgen!!

Tagesetappe: 265 Kilometer
Übernachtung: The Harbour House, 9 Grafton St, Charlottetown, PE C1A 1K3

Anne of Green Gables

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Gabi am Green Gables House, Cavendish, PEI

Das ist ja schon ein altehrwürdiges Haus, in dem wir hier logieren. Entsprechend ist das Interieur und auch das Frühstück: traditionell und edel. Die Frühstücksräume mit ihren Kristallleuchtern und Möbeln sind schon sehenswert - ich habe heute Abend mal ein Bild gemacht und auch eins von Gabi im Treppenhaus.

Die Auswahl am Frühstücksbuffet ist groß - zusätzlich kann jede/r noch eines von 6 Gerichten ordern. Wir entscheiden uns für Omelette mit Käse, Pilzen, Spinat und Tomate. Dazu Bagels, Frischkäse, Saft und Kaffee - alles von vernünftigem Porzellanbesteck - dem Ambiente des Hauses angemessen.

Die Wetterprognose für heute sieht immer wieder etwas Regen vor, entsprechend grau in grau sieht es draussen aus. Kein Problem - wir hatten bislang so viel Glück, da kommen wir durch. Wir lassen uns nicht beirren und fahren gegen 10:00 Uhr zum 45 Minuten entfernt gelegenen PEI Nationalpark.

Der 1937 eingerichtete PEI NP an der zentralen Nordküste der Insel schützt 18 qkm Fläche mit ca. 40 km Küstenlinie. Er ist stellenweise nur wenige 100 m breit. Die Attraktion dieses Küstenabschnitts ist laut Reiseführer die Farbkomposition bei Sonnenschein: kilometerlange rosarote Sandstrände und Dünen, Steilküsten aus rotem Sandstein, blaues Meer, hellgrüne Wiesen und dunkelgrüne Tannenwälder. Naja, das mit dem Sonnenschein wird heute nix.

Cavendish ist der Zentralort, und dorthin orientieren wir uns zunächst. Erster Stop ist der Oceanview Lookout mit Blick auf die hier von roter Erde geprägter Steilküste. Dazu gibt es Dünen, grüne Wiesen mit verschiedenen bunt blühenden Pflanzen und die obligatorischen roten Canada-Stühle.

Nun steuern wir das Visitor Center an und holen uns die notwendigen Informationen für heute. Dabei wird Gabi hellhörig: gleich nebenan ist die „Anne of Green Gables Heritage“. Hier steht das Farmhaus, das Lucy Maud Montgomery zu ihrem Roman „Anne of Green Gables“ inspirierte.

Die Schriftstellerin, selbst auf Prince Edward Island geboren (1874–1942), veröffentlichte die Geschichte 1908. Sie erzählt vom Waisenmädchen Anne Shirley, das versehentlich zu dem älteren Geschwisterpaar Marilla und Matthew Cuthbert auf die Farm „Green Gables“ geschickt wird. Eigentlich wollten die beiden einen Jungen zur Hilfe bei der Arbeit – und bekommen stattdessen ein rothaariges, phantasievolles Mädchen, das sofort alles durcheinander wirbelt. Mit Humor, Herzenswärme und einem guten Schuss Selbstbewusstsein erobert Anne nicht nur Green Gables, sondern auch die Herzen der Leserinnen und Leser in aller Welt. Das Buch wurde zum internationalen Klassiker und machte Prince Edward Island weltbekannt. Gabi hat den ersten Band schon vor unserer Reise als Hörbuch begonnen und ist fast durch. Frauenliteratur, sagt sie.

Heute können wir das Farmhaus betreten und die Räume so sehen, wie Montgomery sie beschrieben hat: die Küche, Annes kleines Schlafzimmer, den Dachboden. Auf Spazierwegen gelangen wir in die „Haunted Wood“ und den „Lover’s Lane“ – genau jene Pfade, auf denen Annes Geschichten lebendig werden. Wir sind durch Haus und Garten gegangen, haben uns an die vielen Details erfreut und konnten in die Stimmung der Romane eintauchen. Auch wenn man die Bücher nicht kennt, versteht man sofort, warum dieser Ort so viele Menschen berührt: Er verbindet eine ganz einfache ländliche Idylle mit einem Stück Weltliteratur. Oder anders ausgedrückt: hier ist die Wallfahrtsstätte für alle Fans - passt, es ist ja auch Sonntag.

Der Garten zum Haus und Lover’s Lane bieten für mich auch einige bunte Motive; die Planzen gefallen mir. In der Ausstellung gibt es auch eine Wand mit den ganzen Übersetzungen. Das Haus mit den grünen Giebeln gehörte der Cousine der Schriftstellerin und inspirierte sie zu ihren Romanen. Sie selbst wohnte 20 Minuten entfernt - das Haus sehen wir uns nicht an. Ich lese aber einiges über ihr Leben - sie hat es nicht leicht gehabt; auch nicht als erfolgreiche Frau in dieser Zeit.

An Cavendish Beach strolchen wir durch die Dünen und vergnügen uns am erfrischenden Meer. Einziger Haken: auch hier sind diese Moskitos und die jagen und beißen mich unerbittlich. Ich scheine denen zu schmecken - und jucke mich kaputt. Selbst in der Kneipe heute Abend haben sic mich gejagt.

Nächstes Ziel ist North Rustico Harbour mit etwas abgeranztem Lighthouse sowie einigen gelben, aber auch renovierungsbedürftigen Gebäuden. Meine Uhr rappelt, weil sich die Gartenkamera am Weinberg eingeschaltet hat. Prima- die liebe Birgit schaut sicher dort nach dem Rechten. Ein Blick aufs iPhone: da ist sie ja. Und dank moderner Technik können wir sofort über die Kamera miteinander quatschen. Spooky!

Die „On the Dock Eatery“ mit bestem Blick auf das Meer zieht uns magisch an. Ein Snack käme jetzt gelegen und der besteht aus Calamaris und frischer Seafood-Chowder, einer Suppe auf Hummerfondbasis, Kartoffeln, Sahne und Milch mit ganz viel Meeresfrüchten und Fisch drinnen. Wir teilen uns beides und sind begeistert.

Letztes Ziel: das Covehead Lighthouse, das sehr sehenswert daherkommt und unten am menschenleeren Strand auch noch einen Rettungsring bereithält. Solche Fotos sammelt Gabi.

Um 16:00 Uhr sind wir zurück im Hotel - das Wetter war besser als erwartet und es ist immer noch sehr warm. Mittagspause, Bilder versorgen, eine kleine Runde schlafen, als klar ist, dass Deutschland gegen Nordirland heute eine Chance zu haben scheint.

Später gehen wir nochmal in die Stadt, suchen und finden „Hunter’s Ale House“, eine urige Kneipe, in der wir uns an die Theke setzen. Im Fernstehen läuft American Football (San Francisco 49ers gegen die Seattle Seahawks); wir trinken Bier und Cider und kämpfen uns durch Nachos, Haddock (Schellfisch) mit Reis & co.

Als wir nach Hause gehen, regnet es etwas stärker - aber Gabi hat die beiden Mini-Knirpse eingepackt. Ohne ihre akribische Orga in alle den kleinen Dingen könnten wir eine solche Reise nicht so durchführen, wie wir es beide so lieben und genießen. Danke dafür!

Morgen geht es für einen Tag zurück nach Nova Scotia - da steht eine längere Autofahrt an, aber das ist eine neue Geschichte. Gute Nacht.

Tagesetappe: 114 Kilometer
Übernachtung: The Harbour House, 9 Grafton St, Charlottetown, PE C1A 1K3

Beautiful Glenora Distillery

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Jürgen an der Glenora Distillery, Cape Breton, NS

Das Frühstück ist gut und edel wie gestern. Gabi probiert mal „Oatmeal“ (warme Haferflocken etc. mit Banane und Rosinen) - dazu natürlich auch frisches Obst und Yoghurt. Hat ihr geschmeckt, wird aber nicht ihr Favorite. Ich bleibe da lieber beim Omelette, da weiß ich, was ich habe.

Eingepackt hatten wir schon und so starten wir gegen 09:15 Uhr. 30 Minuten Fahrt bringen uns zum ersten und damit ältesten Lighthouse auf PEI zum Point Prim. Die Zeit können wir uns noch nehmen, wir haben heute einen „Termin“ und zwar mit der Fähre, die uns zurück nach Nova Scotia bringt. Wir sind um 09:45 Uhr die ersten Gäste am Lighthouse, machen die ersten Bilder, um 10:00 Uhr öffnet der Souveniershop und das Lighthouse. Auch da sind wir die ersten und die freundliche Dame im Souveniershop verkauft mir nicht nur die Eintrittskarten, sondern zeigt uns auch die allererste Lampe, die dort oben verbaut war. Sie schmückt heute ihren Shop. Das Besondere ist der Schliff der verschiedenen Spiegel, die das Licht so reflektieren, dass es weit hinaus aufs Meer reicht. Der alte Spiegel wurde noch mit Walfischtran befeuert; später wurde die Technik durch die heute ausgestellte Lampe ersetzt. Das machte das Licht bis zu 17 Meilen weit sichtbar. Die gleiche Leistung bringen heute 3 kleine LEDs.

Wir erklimmen die steilen Leitern und wundern uns, wie es der Leuchtturmwärter hier früher ausgehalten hat. Je Etage eine Funktion: Arbeit, Schlafen, Kochen und Essen etc. Die Aussicht oben ist toll und wenn wir die beiden Sensoren an der Lampe verdecken, geht sie an. Dürfen wir machen - haben vorher gefragt.

Auf dem Rückweg über die unbefestigte Straße kommen wir wieder an dem Haus vorbei, dass im Vorgarten einen Baum hat, in dem Bojen aufgehängt sind. Nette Deko. Aber auch andere Häuser sind wiedermal sehr sehenswert. In aller Regel sind die Grundstücke hier nie eingezäunt - alles sehr luftig und einladend.

Pünktlich sind wir an der Fähre in Wood Island und der Check-in ist einfach. Da ist eine Bahnfahrt bei uns weitaus komplizierter. Das Boarding läuft ruckzuck und sehr organisiert. An allen wichtigen Positionen ein Einweiser - schon sind wir auf Deck und genießen die Zeit von 11:45 bis 13:00 Uhr bei bestem Wetter an der frischen Luft. Überflüssig zu erwähnen, dass die Fähre auf die Minute pünktlich und mit einem lauten Hupen abfährt. Gabi schreibt Tagebuch, ich mache ein paar Bilder, dann sind wir auch schon in Caribou, NS.

Heute müssen wir Strecke machen. Dabei hat uns die Fährfahrt gut 2 Stunden zusätzliche Autofahrt erspart. Die wären fällig gewesen, wenn wir wieder über die Confidential-Bridge zurück ans Festland gefahren wären. Aber auch so sind es gut 4 Stunden bis Sydney, wo wir heute Abend sein sollten.

Wir beschließen, einen kleinen Umweg zu fahren und die Fahrtzeit durch einen Besuch der Glenora Distillery zu unterbrechen. Die ersten 2 Stunden sind gut zu fahren, viel Highway, Tempomat rein und laufen lassen. Um 15:15 Uhr sind wir bei Glenora und sofort sind wir begeistert: sie kommt daher wie eine typische schottische Distillery, Sie erinnert mich etwas an Edradour mit den roten Fenstern etc.

Die Glenora Distillery ist die erste Single Malt Distillery Kanadas und wird in wenigen Tagen 25 Jahre alt. Für nur 7,00 Dollar/Person (rd. 5 Euro) buchen wir die Tour für 16:00 Uhr. Die ist dann auch schön und informativ; mit 10 Personen ist die Gruppe auch überschaubar. Der Guide ist begeistert von seinem Arbeitsplatz, aber nicht gut zu verstehen. Da hilft es sehr, dass wir die Grundzüge der Whiskyherstellung sehr gut kennen. Besonderheiten gibt es hier nicht, sie verwenden das klassische Verfahren, verkaufen hier aber nur Whisky, der mindestens 10 Jahre im Fass war (das ist ihre Standardabfüllung). In Liquor Shops soll es wohl auch 6-jährigen geben, davon hält unser Guide aber nichts.

Er stellt die aktuelle Range vor, den 10-jährigen aus dem Bourbon-Fass dürfen wir probieren. Nunja, das war leider eher enttäuschend. Eher flach und nichtssagend - sorry. Optisch kommt der gut rüber in einer wertigen Box zum Preis von 85,00 CA$ (rd. 50,00 Euro). Interessanter klingt da schon der 12-jährige, der ein Finish in Eisweinfässern bekommen hat. Der kostet aber schon 125,00 CA$ - und hier hat die Marketingabteilung total geschlafen! Die Box ist das billigste, was ich je gesehen habe, da war der Mekongwhiskey in Thailand liebevoller verpackt. Der 18-jährige ist peated, also rauchig - die Gerste kommt aus Schottland. Meine Frage, woher genau, versteht er nicht - „Schottland“ ist doch präzise …

Dann folgt der dreifache Goldmedaillengewinner mit einem Alter von 21 Jahren zu 300,00 CA$ und so weiter. Auch meine weitere Frage, warum die Distillery „Glenora“ heißt, auf allen Flaschen und Packungen aber „Glen Breton“ steht, will er nicht verstehen. Es sei doch super, aus „Cape Breton“ „Glen Breton“ zu machen! Jaja, aber die Distillery muss doch irgendwo erwähnt werden? Offensichtlich nicht. Fazit: super Destille, der Whisky muss sich noch bei uns beweisen. Wenn wir nochmal nach Nova Scotia kommen, werden wir hier übernachten und ein ausführliches Tasting machen.

Weiter 2 Stunden Fahrt durch die Highlands von Cape Breton Island werden in Angriff genommen und bewältigt. Die sind von der Strecke her deutlich kürzer (fast die Hälfte von frühen Nachmittag), aber ein irres Gegurke durch die landschaftlich tolle Berg- und Fjordwelt Cape Bretons. 10.000 Schritte schaffe ich heute mal nicht - 10.000 Kurven bin ich definitiv gefahren.

So erreichen wir Sydney und das vor 2 Jahren komplett sanierte „The Simon Hotel“. Unser Raum ist riesig und der beste bisher auf dieser Reise. Viel sehen werden wir ihn nicht. Kaum sind die Koffer auf dem Zimmer düsen wir los. Wir möchten uns noch etwas bewegen und das letzte Tageslicht nutzen. Das Hotel liegt super zentral am Hafen und so sind wir direkt auf dem vorbeiführenden Boardwalk. Da ist das Sydney-Sign und nach gut 10 Minuten sind wir am Hafen, der recht menschenleer daherkommt. So ist auch ein Foto mit dem Wahrzeichen, der „Big Fiddle“ schnell im Kasten. Irgendwoher fiddelt es irische Folkmusik und Gabi setzt gleich zu einem Tänzchen an - sehr schön!

Wir gehen einen Block bergan und landen in der Charlotte Street. Hier gibt es Läden und Restaurants; uns spricht der „The Old Triangle Irish Brew Pub“ an. Super urig, sehr schöne Lebensweisheit an der Wand, gute Mucke (seit langem hören wir mal wieder „A Woman’s heart“), Pizza und Bier sowie Cider vom Fass - eine tolle Belohnung für die fast 400 km, die wir heute gefahren sind.

Da morgen auf der Fähre genug Zeit ist, lasse ich Tagebuch und Bilder heute links liegen, mache ausnahmsweise mal den Fernseher an (und nach 15 Minuten wieder aus) - dann heißt es „gute Nacht“!

Tagesetappe: 391 Kilometer
Übernachtung: The Simon Hotel, 380 Esplanade, Sydney, NS B1P 1B1

Newfoundland extreme

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Jürgen auf dem Lower Head Lighthouse Trail, Twillingate, NL

Wir haben gut geschlafen und das Aufwachen begann heute auch nicht wie gestern bereits um 06:00 Uhr. Da klingelte nämlich der Wecker auf Gabis Nachttisch. Den hatten wohl Vorbewohner nicht entschärft. Sie haut ihn aus und 10 Minuten später meldete der sich wieder. Stecker raus. Dann 06:30 Uhr (11:00 Uhr in Deutschland); mein iPhone schreit - Nina-App, Sirenenprobealarm; klar der ist heute und mit Zeitverschiebung passt das. Also wenn es jemanden interessiert: die Sirene für die Hosentasche funktioniert in Neufundland. Heute erwachen wir ganz entspannt und lauschen dem Regen, der bereits die ganze Nacht an das Fenster klopft.

Da wir eine weite Fahrt vor uns haben packen wir zusammen, holen noch einen Kaffee und etwas Obst aus der Coffee-Bar (der Service des Hauses ist wirklich sehr, sehr gut) und fahren los. 08:15 Uhr, aktuell regnet es nur wenig, aber auf den Straßen steht zum Teil viel Wasser. Da heißt es vorsichtig zu fahren. Die Fahrt wird unterbrochen durch Tanken und Sandwiches kaufen in Deer Lake, einem Besuch im Visitor Center mit „Washroom“ vor der „Road to the Isles“ und einem kleinen Obsteinkauf im „Lewisporte Foodland“ und endet um 14:00 Uhr in Twillingate - es hat die ganze Zeit mehr oder weniger geregnet.

Vom Gros Morne National Park ging es dabei über den Viking Trail zunächst zurück bis in die kleine Ortschaft Deer Lake. Dort knüpften wir wieder an den Trans-Canada-Highway #1 an, der uns durch die Zentralregion Neufundlands in Richtung Osten führte. Dabei nimmt die Straße große Umwege, da immer wieder Seen und große Meeresbuchten umfahren werden müssen. Dieses Gebiet ist geprägt von Misch- und Nadelwald, Seen und völliger Abgeschiedenheit. Gabi fragt sich unterwegs, ob hier auch Leute leben? Und was die dann arbeiten? Oder als was sie arbeiten würde, wenn sie hier leben würde? Oder wo die Kinder zur Schule gehen? Oder was ist, wenn die hier einen Herzinfarkt kriegen. Wahrscheinlich gibt es hier keinen Grund, einen Herzinfarkt zu bekommen - hier ist die Welt ruhig, friedlich und die Uhren ticken anders als bei uns.

An der Notre Dame Junction verlassen wir den Trans-Canada-Highway und wechseln auf die #340, die „Road to the Isles“ (da die Straße mehrere Inseln über Brücken und Dämme miteinander verbindet), die uns durch eine eindrucksvolle und verwinkelte Küstenlandschaft zu den Twillingate Islands, einem der touristischen Höhepunkte Neufundlands führte.

Twillingate wird auch als die „Iceberg Capital of the World“ bezeichnet und dieser Titel ist berechtigt, denn die kleine Stadt Twillingate ist hier der Ausgangspunkt, um Eisberge zu sehen. Bis zum Mittsommer hat man in der Regel die beste Sicht auf die majestätischen Boten der Kälte, die vom Labrador Strom von den großen Gletschern im hohen Norden bis vor die Küste Neufundlands getrieben werden.

Wir checken im Anchor Inn ein. Hier gibt es auch ein beliebtes Restaurant und einen Pub, in dem ab 20:30 Uhr Live-Musik geboten wird. Für beides sollte man reservieren. Wir studieren die Speisenkarten - beide sehen super aus. Also dann der Pub, allein schon wegen der Live-Musik. Wir reservieren für 19:00 Uhr und fahren ein paar Meter weiter bergan, wo sich das Nebenhaus mit unserem Zimmer befindet. Alles die Treppe hoch wuchten, einrichten und feststellen: es gibt doch Wifi hier. Vater schreibt, dass es die deutsche Basketballmannschaft gegen Finnland ins Finale der EM geschafft hat. Herzlichen Glückwunsch!

Ich schreibe schon Tagebuch bis hierher, dann ruhen wir etwas aus. Später soll der Regen vielleicht etwas nachlassen. Dann möchten wir unbedingt noch eine Runde laufen und ein paar Bilder machen. Das kam heute noch viel zu kurz.

Am Long Point im Norden der Stadt beim Twillingate Lighthouse, das auch eine Aussichtsplattform hat, bietet sich nämlich auch ohne Eisberge ein grandioses Panorama. Auf dem Weg dorthin gibt es diverse Möglichkeiten, sich die Beine zu vertreten.

An der Küste (French Head) gibt es tolle Felsformationen mit klangvollen Namen wie Bears Head, Cobra Snake und Figure of Indian. Eine sehr schöne Wanderung (Lighthouse/Lower Head Trail) läuft vom Leuchtturm am Long Point auf hohen Klippen südwärts und parallel zum zerklüfteten Ufer durch den Sea Breeze Park.

Als wir mit dem Auto auf dem Parkplatz vor dem Leuchtturm halten, schüttelt es den Escord mächtig durch. Was ist das? Jacke an, Regenjacke drüber, Bergstiefel haben wir schon an - raus. Gar nicht so einfach, die Türen aufzukriegen; hier pfeift ein unglaublicher Wind und deshalb ist wohl auch niemand anderes hier. Regen ist auch zu spüren, aber eher als kleine, harte Einschläge auf der Regenjacke. Es regnet nicht wirklich viel, das Problem ist der Wind. Wir versuchen, etwas herumzugehen und müssen allen ernstes aufpassen, nicht davonzufliegen. Das ist sicher einer der härtesten, wenn nicht der härteste Wind, den ich jemals erlebt habe.

Selbst fotografieren ist nicht einfach. Ich habe Aufnahmen mit 1/500 Sekunde, die verwackelt sind, weil entweder die Kamera ruckte oder Gabi sich nicht halten konnte. Wir klettern dennoch um das Lighthouse herum sowie über den Lower Head Trail und haben faszinierende Aussichten. Der Himmel ist grau und es ist kaum zu sehen, wo am Horizont die Wasserlinie ist. Das Meer ist aufgewühlt und wir passen auf, dem Rand der Klippen nicht zu nahe zu kommen. Die Böen sind so heftig, dass sie nicht auszurechnen und auch kaum zu halten sind. Es gibt einen Weg, den können wir einfach nicht hinuntergehen, weil der Gegenwind zu stark ist. Sagenhaft, dieser Kontrast zu den letzten Tagen. Das ist Neufundland extrem - aber auch, wie man sich das so vorstellt mit den Kräften der Natur. Wir haben trotz oder gerade wegen der heftigen Bedingungen großen Spaß.

Am Ende sind wir dankbar für dieses Erlebnis - das Land auch von dieser Seite kennenlernen zu dürfen. Das hatte schon was!

Hinterher halten wir noch in Crows Head, wo Häuser direkt an der Klippe stehen. Ein kurzer Abstecher an den Hafen von Twillingate zur Meerjungfrau und mit Blick auf unsere blaue Unterkunft auf der gegenüberliegenden Seite rechts neben der Kirche; dann fahren wir zurück zum Zimmer. Dort schaffen wir es, die Fotos auszusuchen und zu bearbeiten, dann gehen wir hinunter zu „Captain’s Pub“.

Da gibt es leckeres Bier vom Fass, für Gabi einen Anchor Inn Cocktail und Cider. Wir bestellen eine Pizza mit Meeresfrüchten (Scallops und Scampi) und eine mit scharfer Salami. Sehr gut, aber viel zu viel. Ab 20:30 Uhr gibt es live-Music mit Mike Sixonate. Er entpuppt sich als grandioser Picker, der seine Gitarre so brillant und schnell bearbeitet, dass einem schwindelig wird. Mike erzählt nicht nur lustige Geschichten aus seinem Leben und singt meist eigene Songs, aber auch einige irische Traditionals. Die Gitarrenbegleitung ist echt Hammer!! Er spiel ein Open-Dsus2-Tuning, was die Sache für mich noch spannender macht.

Jetzt ist es nach 23:00 Uhr und wir sind immer noch pappsatt, aber sehr zufrieden mit diesem außergewöhnlichen Tag, an dem wir Neufundland von einer anderen Seite erleben durften. Ab Morgen soll das Wetter wieder besser werden.

Tagesetappe: 444 Kilometer
Übernachtung: Anchor Inn, 3 Path End, Twillingate, NL A0G 4M0

Farbenfrohes St. John's

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Gabi in Quidi Vidi, St. John's, NL

Gabi bereitet aufgetoastete Bagels mit Frischkäse und Truthahnbrust zum Frühstück vor und ich packe zusammen. Nach einem kurzen Plausch mit dem netten niederländischen Paar von gestern Nacht brechen wir auf. Da wir keine Eile haben ist es kurz vor 09:00 Uhr und wir schauen noch, was Charlottetown zu bieten hat. Antwort: nichts! Wir fahren runter bis zum Meer, was quasi Ortsmitte ist - nichts.

Also rauf auf den TCH-#1 und Kilometer machen. Wir beschließen, evtl. den Abstecher auszulassen und direkt nach St. John’s zu fahren. Nach einem Tankstopp kommen wir gegen 12:00 Uhr in dem kleinen Ortsteil „Quidi Vidi“ an, wo wir aber bestimmt 15 Minuten einen Parkplatz suchen. Das Nest ist super klein und auf dem großen Parkplatz im Ort findet ein Fest statt - gesperrt.

Quidi Vidi ist ein kleiner, fast versteckt liegender Ortsteil direkt am Wasser. Bunte Holzhäuser schmiegen sich hier an die Felsen rund um den engen Hafen, in dem Fischerboote schaukeln. Alles wirkt wie ein eigenes kleines Dorf in der Stadt, und tatsächlich hat Quidi Vidi mit seinen Brauereien und Handwerksläden einen ganz besonderen Charme. Bier von hier habe ich in den letzten Wochen mehrfach genießen dürfen. Und der süße Hund war ein Portraitfoto wert.

Nach dem Einchecken im Hotel machen wir uns auf den Weg hinauf zum Signal Hill. Schon die Straße dorthin ist ein Erlebnis: vorbei an den typischen bunten Häuserreihen, die St. John’s so unverwechselbar machen. Oben angekommen, eröffnet sich ein großartiger Blick über die Stadt, den Hafen und hinaus auf den Atlantik.

Wir nehmen uns Zeit für die Queen’s Battery und den Cabot Tower. Die Queen’s Battery wurde im 18. Jahrhundert errichtet, um den strategisch wichtigen Hafen gegen feindliche Angriffe zu sichern. Hier standen einst Kanonen, die die Einfahrt kontrollierten - heute sind die Reste noch gut zu sehen. Der Cabot Tower stammt aus dem Jahr 1897 und wurde zum 400. Jubiläum der Entdeckung Neufundlands durch John Cabot gebaut. Berühmt ist er auch als Ort, an dem G. Marconi 1901 die erste drahtlose Transatlantik-Nachricht empfing – ein Stück Weltgeschichte mitten auf diesem Hügel. Von ganz oben auf dem Tower haben wir eine prima Aussicht.

Die Tour war gar nicht so ohne. Am späteren Nachmittag bummeln wir noch durch Downtown von St. John’s. Die Straßen mit den bunten Häusern sind hübsch anzusehen, doch viel los ist hier nicht – vielleicht liegt es an der Tageszeit. Dennoch spüren wir, dass St. John’s mehr ist als nur ein Fischerhafen. Als Hauptstadt von Neufundland und Labrador ist es das kulturelle und politische Zentrum der Provinz, mit rund 110.000 Einwohnern aber noch überschaubar und fast dörflich im Vergleich zu anderen kanadischen Städten.

In der Yellow Belly Brewery trinken wir ein Red Irish Ale und ein Cider, als die Nachricht eintrifft, das Iris die Wahl zur Bürgermeisterin von Kerken im 1. Wahlgang mit stolzen 70% gewuppt hat. Wir gratulieren ihr von Herzen und stoßen auf ihren Erfolg an. Zurück im Hotel erfahren wir von Vater zusätzlich, dass Deutschland in einem Superspiel Europameister im Basketball wurde. Toll!! Einzig die Borussia aus Mönchengladbach hat mal wieder nicht geliefert. 0:4 gegen Bremen - so geht das nicht weiter, da muss ne Notbremse her, sonst rauschen wir ruckzuck in die Abstiegsränge. Mir ist auch nicht klar, wer außer Hack und Reitz da aktuell mal ein (!) Tor schießen sollte - und das sollte man tun, wenn man gewinnen will.

Nicht ärgern - heute ist ein Tag zum Freuen. Hausgemachte Pizza Frutti di Mare und Pasta mit Meeresfrüchten schmecken uns sehr, sehr gut. Super, dass das Hotel ein italienisches Restaurant beherbergt. So müssen wir nicht mehr weg. Danach kümmern wir uns um die Bilder, das Tagebuch und die Website - Standard. Unser Zimmer ist super komfortabel und ich genieße jetzt gleich noch den großen Fernseher - egal, was da flimmert.

Morgen Abend sind wir auf der Nachtfähre zurück nach Nova Scotia. Da geht nix mit Homepage hochladen o.ä. Also melden wir uns nächste Tage wieder. In Nova Scotia steht Cape Breton Island mit dem legendären Cabot Trail im Fokus - für ganze 2 Tage.

Hoffen wir weiter auf gutes Wetter. Bisher hatten wir ja so ein sagenhaftes Glück. Gestern und heute waren es 11-15 Grad. Klingt nicht viel, aber wenn die Sonne da ist, wird es richtig heiß. Die hat Kraft! Heute Habe ich meist einlanges Shirt getragen, nur ganz oben auf dem Signal Hill pfiff es so, dass ich die Jacke bevorzugte. Unten in Downtown wäre zwischendurch auch ein T-Shirt gegangen. Nach wie vor: der perfekte Urlaub!

Wie sang die Zac Brown Band heute auf unserer Fahrt? „I got my toes in the water, ass in the sand. Not a worry in the world, a cold beer in my hand. Life is good today!“ Dem ist nichts hinzuzufügen!!

Tagesetappe: 255 Kilometer
Übernachtung: DoubleTree by Hilton St. John's Harbourview, 2 Hill O'chips, St. John's, NL A1C 6B1

Abschied von Neufundland

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Jürgen auf dem Cape Spears Path Traili, St. John's, NL

Heute heißt es Abschied nehmen von Neufundland. Das fällt uns schwer, denn es gefällt uns hier wirklich sehr, sehr gut. Ein planmäßiger Abschied wäre uns dennoch recht gewesen - aber dazu später mehr.

Das Hilton in St. John’s ist eine Top-Unterkunft. Riesiges Zimmer mit allem Schnickschnack, super Badezimmer mit Riesendusche (und nicht nur ner Duschbadewanne wie sonst meist üblich) und sehr bequeme Betten. Da fällt es schwer, aufzustehen - aber wir haben ja Urlaub.

Ich habe gestern Abend tatsächlich noch den riesigen Fernseher ans Arbeiten gebracht. Außer Zappen ist da nicht viel drin und auf 80% der Kanäle läuft ohnehin gerade Werbung. Das finde ich aber durchaus unterhaltsam, weil man darüber auch einiges über die Mentalität der Leute lernen kann. Wenn mal ein Film läuft (z.B. Indiana Jones) kann man sicher sein, nach jeder bedeutsamen Szene, also spätestens nach 5 Minuten wieder ins Werbeprogramm zu wechseln. Äußerst beliebt sind hier (bzw. in den USA, denn deren Programm strahlen sie hier meist aus) „Reality“-Police-Serien. Da wird immer hautnah, aber viel verpixelt gezeigt, wie üble Schurken überwältigt werden. Wie erwartet ist die Kiste nach 15 Minuten wieder aus. Sieht in dem Rahmen auch Schmuck aus, wenn sie nicht flimmert.

Wir packen heute etwas um, denn für die Nacht auf der Fähre benötigen wir die allerwichtigsten Sachen in 2 Rucksäcken griffbereit - inkl. Der Dinge, die wir morgen früh anziehen wollen etc. Eine von Gabis 3 faltbaren Kühltaschen in verschiedenen Größen (in der Beziehung ist sie auch unschlagbar - für alle Fälle gerüstet), kommt auch zum Einsatz. Sie hört inzwischen auf den Namen „Lobster-Tasche“ (bei uns hat fast alles einen Namen) und nimmt bereitwillig Wein, Whisky, Wasser und Becher auf.

So gerüstet fahren wir aus der Tiefgarage und steuern Cape Spear an. Das ist der östlichste Punkt Canadas. -hier sind wir Europa am nächsten, was uns heute aber nicht wichtig ist. Auf dem Weg halten wir an 2 Aussichtspunkten an und bewundern die Kraft und Weite des Meeres. Die Wellen kacheln heftig an die Felsen. Gabi meint, ein weiteres Ei gefunden zu haben - es handelt sich hier aber nur um einen ordinären Golfball - allerdings in ungewöhnlicher Farbe.

Am Cape Spear ist die Kasse noch geschlossen - nicht schlecht für uns. Es ist auch noch kaum jemand hier um diese Zeit - es ist kurz vor 10:00 Uhr. Das alte, originale Lighthouse (quadratisch) ist nicht mehr in Betrieb - als Ersatz hat man einen schlanken Leuchtturm gebaut, der den Schiffen heute den Weg weist uns als Orientierungshilfe dient. Cape Spear ist der älteste Leuchtturm Neufundlands und auch der erste, den die Europäer nach ihrer Fahrt über das weite Meer gesehen haben. Eine sehr wichtige Landmarke also. In der Bucht sind 1983/1984 insgesamt 2.200 Eisberge getrieben - unvorstellbar.

Neben den Leuchttürmen ist der Cape Spear Path Trail der Hit. Wir kraxeln über 90 Minuten hier herum - das hätten wir nicht vermutet. Die Aussichten aus allen Höhen sind aber auch sehenswert. Ob hoch oben auf den Klippen (ich denke, dass ich viel zu nahe am Abgrund stehe und sehe dann, wo Gabi sitzt und mich fotografiert) oder in der unmittelbaren Nähe der Brandung - beeindruckend ist es allemal. Der Morgennebel hängt noch an der Steilküste, was zum Teil für eine sehr mystische Stimmung sorgt. Unten im Felsen sind offensichtlich Bunkeranlagen mit Kanonen aus den Weltkriegen - dafür interessieren wir uns aber heute nicht. Ein Fischerboot dreht seine Runde und zig Vögel folgen ihm mit viel Geschrei.

Nun machen wir uns auf den Weg Richtung Fähre - mit Zwischenstopp an der Castle Hill NHS. Hierfür müssen wir rd. ebenfalls ca. 90 Minuten rechnen - passt genau. TCH-#1 und Hwy. #100 sind zuverlässig.

Hier geht es um französische und englische Militärgeschichte der Festung „Castle Hill“ im 17. Jahrhundert.

Google sei Dank finde ich ein Restaurant am Wegesrand. Der „Dockside Pub“ ist genau nach unserem Geschmack. Wir sitzen draussen mit Blick auf den kleinen Hafen. Gabi bestellt „Cod-Bites“, was Kabeljau-Kibbellinge sind und ich eine Abwandlung der kanadischen Poutine mit BBQ-Sauce, Käse überbacken, knusprigem Bacon etc. Saulecker! Dazu ein Neufundland-Bier (Iceberg) für mich und Wein für Gabi. Klasse - die Möwe guckt interessiert zu, hält aber Abstand.

Nun aber los- wir wollen um 14:30 Uhr an der Fähre sein und sind um 14:28 Uhr da - das nenne ich Timing. Einchecken geht schnell, wir bekommen im Tausch für unseren Voucher die Bordkarten inkl. Kabinenkarte. Reihe 6 - wir stehen und das Boarding kann kommen. Dann die erste Ernüchterung: Delay: 2 Stunden - Boarding erst um 17:30 Uhr, obwohl die Fähre schon um 17:00 Uhr losfahren sollte. Mist!! Das heißt, 2 Stunden länger hier warten. Erkundigungen ergeben aber, dass die Fähre die Verspätung in der Nacht wieder reinfahren sollte - normalerweise.

Dann eine gute Nachricht: Boarding doch schon um 16:30 Uhr. Es ruckelt aber bei der Fahrt auf die Fähre, stop and go - das kennen wir anders. Egal wir stehen, unsere Kabine ist wie gebucht eine 4er zur 2er-Alleinnutzung. Alles gut. Wir schnappen uns die Lobster-Tasche mit dem Wein und gehen aufs Sonnendeck. Sundownder - es kann losgehen. Geht es aber nicht. Es zieht sich und zieht sich und tatsächlich dauert es bis 19:00 Uhr, bis wir endlich ablegen - die gewonnene Stunde ist wieder verloren.

Also nun rein in die Bar mit MacBook; ich möchte ja noch was tun. Bier und Cider sind prima - der junge Mann mit Gitarre eine echte Zumutung. Die meisten sind aber begeistert - wir finden den gruselig. Dann die nächste Hiobsbotschaft: Ankunft morgen um 12:00 Uhr - statt 09:00 Uhr. Booooh, wir sind genervt. Das klaut uns wirklich wertvolle Zeit. Was machen die denn? Noch eine zusätzliche Stunde? Wir können es nicht ändern und werden es nehmen, wie es kommt - hilft ja nix.

Jetzt habe ich 3 verschiedene Biere aus Neufundland intus und das macht den Abschied erträglicher. Die Lobster-Tasche lassen wir in Ruhe. Gute Nacht - morgen ist ein neuer Tag in Nova Scotia mit angekündigtem bestem Wetter - und das werden wir nutzen so gut es geht.

Tagesetappe: 174 Kilometer
Übernachtung: Marine Atlantic Ferry (Ala'Suinu)

Surprising Marine Drive

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Black Bear am Marine Drive, Hwy-#316, Harbour Cove, NS

Der Tag heute stand unter dem Motto „treiben lassen“, war dann voll von überraschenden Erlebnissen und dürfte schnell erzählt sein. Nach dem Aufwachen schreibe ich zunächst mal das Tagebuch von gestern und lade die Website hoch - alles andere war ja bereits vorbereitet.

Dann gehen wir in den „The Frolic and Folk Pub & Grille“ zum Frühstück. Wir wählen vom Bufffet: ich reichlich Rührei, Speck, Würstchen, Bratkartoffeln, 1/2 Bagel und eine Schnitte Toast, Frischkäse, O-Saft, Kaffee und Yoghurt. Gabi lässt es gesünder angehen. Das ist eine super Location und den Pub werden wir vermissen. Bestens gestärkt starten wir in den Tag und machen noch ein paar Aufnahmen an der Unterkunft..

Es ist bereits 10:00 Uhr, als wir vom Hof rollen. Aber der Tag hat kein Programm, außer: Nebenstrecke fahren über den sog. Marine Drive immer an der Küste entlang. Bis Port Hastings geht es allerdings über den Highway; 100 km/h, Tempomat, kein Verkehr, rollen lassen. Hinter Port Hastings geht es auf den Marine Drive, was dem Navi nicht gefällt, weil es nicht der schnellste Weg ist.

Bei Mulgarve soll es ein Visitor Center geben. Das ist aber schon geschlossen: Saison vorbei. Dafür ergeben sich am Wasser ein paar nette Motive. So erreichen wir Guysborough, das wir überhaupt nicht auf dem Zettel hatten. Naja, los ist hier auch nichts; der Ort hat seine besten Jahre offensichtlich gesehen. Ein lila Haus am Wasser fällt ins Auge. Darin verbirgt sich ein schnuckeliges Cafe und wir lassen uns 2 Latte schmecken mit Blick aufs Meer und die paar Boote, die hier liegen.

Es hat begonnen zu regnen - da war auch nicht eingeplant. Wir bekommen für eine kurze Zeit einen Eindruck davon, wie die Landschaft wirkt, wenn die Sonne nicht scheint und es nass ist. Nicht auszudenken, wenn das unser tägliches Wetter gewesen wäre. So ist es kein Problem, zumal es schnell auch wieder aufhört.

Die Straße zieht sich so dahin, immer mit Blick aufs Meer. Das ist sehr entspannend. Bei Queensport passieren wir das Rock Island Lighthouse, das sich auf eine kleine Insel im Meer duckt. Wir reizen den Marine Drive aus, dass Navi will immer abbiegen - ich nicht.

Wir erreichen Canso an der äußersten Ostküste Nova Scotias – ein kleiner, ruhiger Ort, der auf den ersten Blick unscheinbar wirkt, aber voller Geschichte steckt. Schon im 16. Jahrhundert war die Gegend ein Treffpunkt für Fischer aus Europa, die hier den reichen Kabeljau fingen. Später geriet Canso zwischen die Fronten von Engländern und Franzosen, die beide die Kontrolle über diesen strategisch wichtigen Punkt am Eingang zum Golf von St. Lawrence haben wollten. Immer wieder wechselte der Ort die Hände, wurde zerstört und neu aufgebaut. Die Briten errichteten 1720 eine befestigte Siedlung, und im Jahr 1745 diente Canso sogar als Sammelpunkt für die Truppen, die von hier aus die französische Festung Louisbourg angriffen.

Heute ist davon nicht mehr viel sichtbar – übrig geblieben ist ein kleines Fischerdorf, das still an der rauen Atlantikküste liegt. Wenn wir hier stehen und den Blick über die weite See schweifen lassen, können wir uns kaum vorstellen, welch große Bedeutung dieser abgelegene Ort einmal hatte. Es ist nämlich nix los hier - überhaupt nix! Ein paar Boote im Hafenbecken. -verlassen. Nur eine Möwe hält Wacht. Motive finden sich natürlich auch hier. Gabi studiert die Tafeln, die von der Geschichte des Ortes berichten und sie schlägt vor, den Canso Harbour Walk zu gehen, wo noch mehr Schautafeln warten. Dort finden sich u.a. riesige Hagebuttensträucher. -und Gabi findet mal wieder ein Dinosaurierei.

Nun aber ab nach Charlos Cove, wir rollen und rollen, inzwischen immer noch völlig allein durch Wald; die Küste sehen wir hier nicht durchgehend. 7,9 km bzw. 10 Minuten vor der Unterkunft trifft uns fast der Schlag: da sitzt am Wegesrand auf einem Felsen ein Koloss von einem Schwarzbären. Ich bremse, Warnblinkanlage an (Sicherheit geht vor), Gabi hat mir die Z8 schon rübergereicht, mein Fenster ist schon runter, Radio aus. Ich mache die ersten Aufnahmen, Gabi packt wie eine geübte OP-Schwester das 70-200 mm Tele aus. Als hätten wir das so schon tausend mal gemacht. Okjektiv gewechselt - jetzt geht es richtig los. Meister Petz schwenkt den Kopf und präsentiert sich keine 20 Meter von uns entfernt wie eine Statue auf einem Felsblock. Dann hat er genug gesehen, dreht sich um und verschwindet.

Wir sind voller Adrenalin und völlig aus dem Häuschen. Wir haben ja schon einige Bären in freier Wildbahn gesehen. Aber der hier war mit Abstand das mächtigste, wohl proportionierte und ausgewachsenste Teil „we’ve ever seen“. Hammer! Was für ein Glück, das kein anderes Auto kam und uns gestört hat. Und wie erfreulich, dass wir uns auf diese Art und Weise begegnet sind, just zu diesem Zeitpunkt. Auf unseren Wanderungen wünschen wir uns oft Bärenbegegnungen. Ich bin aber ehrlich: dem Kerl - oder der Mama - auf einem Trail plötzlich Auge in Auge gegenüberzustehen? Da wäre uns ganz sicher warm ums Herz geworden, Respekt!

Super Erlebnis, ab zur Unterkunft, die malerisch am Ende eines unbefestigten Weges direkt am Wasser im Nirgendwo liegt. An der Einfahrt steht so etwas wie ein Leuchtturm. Wir checken ein und erfahren, dass es hier inzwischen viele Bären gibt, die Einheimischen aber nie einen sehen (wollen). Unser Zimmer hat Meerblick und ist (auf dem Foto mit den bunten Stühlen) links unten.

Wir reservieren für das Dinner (wo sollen wir hier sonst auch hin?) und finden uns nach einem kurzen Mittagsschlaf um 18:30 in dem tollen Speiseraum ein. Super Abendessen: als Vorspeisen teilen wir uns Spinatsalat mit Ziegenkäse, karamellisierten Pecanüssen und Himbeer-Mohndressing sowie Fish-Cakes vom Schwertfisch auf Salat. Dazu Brot, Bier, Rotwein. Hauptspeise: Ahornsirup-glasierter Lachs mit Cranberrysauce, Kartoffelstampfgratin und Gemüse. Köstlich!

Dann ab in die Heia, Tagebuch schreiben, Fotos bearbeiten, Website hochladen. Gabi schaut immer wieder, ob noch Fotos der Milkyway möglich werden (dunkel genug ist es hier) - aber es ist zu bedeckt. Also lassen wir den Tag ausklingen. Morgen geht es nach Halifax. Letzte Etappe, aber sicher auch spannend, denn die Stadt fanden wir ja gut. Wie lange ist das jetzt her? 3 Wochen? Kommt mir vor wie eine Ewigkeit. Dieser Urlaub ist sensationell. Der Black Bear heute war die Kirsche auf der Sahnehaube. Genial!!

Tagesetappe: 229 Kilometer
Übernachtung: Seawind Landing Country Inn, 159 Wharf Road,, Charlos Cove, NS B0H 1T0

We love Nova Scotia

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Jürgen an der Waterfront, Halifax, NS

Nach einer sehr guten Nacht ist es praktisch, dass unser Zimmer so groß ist. Schließlich muss Gabi alle Klamotten, die uns die letzten 3 Wochen begleitet und auch unser Auto belagert haben, in 2 Koffern zzgl. Handgepäck verstauen. Das hat sie drauf - ich bewundere, dass das überhaupt geht. Das Frühstück ist prima, das Hotel wegen Ausstattung und Lage (!) Sehr zu empfehlen!

Als erstes besuchen wir heute die Halifax Citadel NHS, eine sternförmige Festung hoch über der Stadt und praktischer Weise direkt gegenüber unseres Hotels. Schon beim Hinaufgehen zum Eingang merken wir, wie dominant sie über dem Hafen thront – kein Wunder, dass die Briten hier schon 1749, im Jahr der Stadtgründung, mit Befestigungen begannen. Die heutige Anlage stammt von 1856 und ist bereits die vierte an dieser Stelle. Interessant: so massiv wie sie gebaut wurde, kam sie nie in einer Schlacht zum Einsatz. Der Eintritt ist mit unseren Jahrespässen abgegolten.

Wir schlendern durch die Kasematten und Magazine, schauen uns die Ausstellungen an und bekommen ein gutes Gefühl dafür, wie das Soldatenleben im 19. Jahrhundert hier oben ausgesehen hat. Der Freiplatz in der Mitte ist riesig. Besonders beeindruckend ist der Kanonenschuss zur Mittagsstunde, der seit 1857 täglich abgefeuert wird - um dieses Zeit sind wir aber schon lange wieder verschwunden hier. Von den Mauern aus genießen wir den weiten Blick über die Stadt und den Hafen – ein großartiger Moment, an dem sich Geschichte und Gegenwart von Halifax auf besondere Weise verbinden. Auch in eine der unterirdischen Munitionskammern verirren wir uns. Dennoch: Militär und Militärgeschichte mit den Ausstellungen all dieser Waffen, die nur dazu gemacht sind, andere Leute umzubringen, sind nicht wirklich unser Ding. Es gehört dazu, sich ein Bild zu machen und sich mit diesen Dingen zu beschäftigen. Daher sind die Beschreibungen, wie die Menschen hier in den verschiedenen Epochen gelebt haben, für uns auch durchaus interessant. So richtig „schön“ finden wir aber insbesondere Ausstellungen verschiedener Kampfmittel, Uniformen, Ehrenzeichen etc. im Army Museum, das im großen Gebäude untergebracht ist, nicht. Es wird Zeit, dass wir hier verschwinden, die ersten Busse rollen an. Unten im Hafen liegen neue Kreuzfahrtschiffe.

Vorbei am „Old Clock Tower“ spazieren wir bergab und erreichen die City Hall inkl. kleinem Triumphbogen. Und nochmal einige hundert Meter weiter bergab gelangen wir wieder an die Waterfront. Es ist nochmal ein wunderschöner Tag mit blauem Himmel und ich wundere mich immer, welche Kraft die Sonne hat. Selbst bei Temperaturen um 16 Grad (später sind es über 20) kannst du mühelos mit dem T-Shirt rumlaufen und musst dich sogar noch vor der Sonne schützen. Oben an der Zitadelle oder im Schatten der Hochhausfluchten pfeift der Wind (so kalt) und es ist extrem frisch.

An der Waterfront finden wir die maritimen Motive, aber auch viel Kunst und Straßenmusiker. Beliebt sind irische Weisen auf der Fiddle - für 5 Minuten ganz schön, aber dann wird es anstrengend. Gabi findet einen interessant beschnittenen Stein und schafft es, das Lighthouse winzig klein im Durchbruch abzubilden. „The Emigrant“ weist auf Freud und Leid der Einwanderer hin und ist ein Vorbote des Museums über die große Einwanderung nach dem 2. Weltkrieg weiter hinten im Hafen. Dort befindet sich auch der historische Farmersmarket, der mit den üblichen frischen Produkten, aber auch mit allerlei liebevoll gestalteten Handwerken und kreativen Nahrungsmitteln aufwartet. Ein buntes Gewusel an Menschen, Geräuschen und Düften begleitet uns durch die Reihen der Aussteller und Verkäufer.

Zurück an der Waterfront gehen wir nochmal zu den betrunkenen Lampen hinüber; die finden wir allzu witzig. Das Kunstwerk aus dem Jahre 2012 heißt „The way things are“. Eine Tafel beschreibt das Kunstwerk kurzgefasst so: „Die drei Skulpturen von Chris Hanson und Hendrika Sonnenberg nehmen die Form funktionierender Straßenlaternen an, die besonders „menschliche“ Dinge tun. Sie zeigen eine umgestürzte Laterne, während eine zweite Lampe scheinbar besorgt darauf herabblickt. Diese spielerische Installation verweist auf die kleinen, schelmischen Verhaltensweisen, die man in unseren Städten und an den Uferpromenaden nur allzu oft beobachten kann.“ Wir sehen hier allerdings keine betrunkenen oder herumliegenden Leute - gut so!

Nun setzen wir uns in zwei der vielen bunten, und liebgewonnenen Canada-Stühle, legen die Füße hoch und schauen mal 30 Minuten einfach so aufs Wasser. So langsam bekommen wir Lust auf ein Getränk und einen kleinen Snack. Wir verlassen daher die bunte Waterfront mit dem größeren Trubel - auch der Kreuzfahrttouristen - und schlendern wieder bergan Richtung „Innenstadt“/Downtown. Dabei begegnet uns zum x-ten Male eines dieser Amphiebienfahrzeuge der „Harbour Hopper“, die Stadtrundfahrten durchführen und am Ende einfach so in den Hafen düsen, um eine kleine Hafenrundfahrt anzuschließen. Bunt und lebhaft - so ist die Waterfront.

Nach einen Blick auf den Uhrenturm vom Rathausvorplatz aus finden wir das „Dursty Nelly“ in der Argyle Street, einen belebten Irish Pub mit einem schönen Plätzchen für uns draussen in der Nachmittagssonne. Wir teilen uns Pulled Pork Nachos mit BBQ-Soße (die Nachos sind diesmal frittiert, bevor sie mit all den Zutaten überbacken wurden) dazu gibt es wie immer ein Bierchen bzw. Cider. So vergeht die Zeit.

Ein Stündchen haben wir noch, dann sollten wir aufbrechen Richtung Airport. Was noch fehlt von den Sehenswürdigkeiten der Stadt ist der „Public Garden“. Diese Oase der Ruhe befindet sich nur 2 Blocks vom Hotel - und damit dem Stellplatz unseres Autos mit dem ganzen Gepäck - entfernt, allerdings steil bergan. Das ist aber leicht bewältigt und wir machen noch einige bunte Bilder zum Abschluss. Besonders stark vertreten sind hier Dahlien, die in vielen Farben und Formen daherkommen. Auf einem Teich grüßt die Titanic noch einmal, dann heißt es auch für uns Abschied zu nehmen. Wie hieß es heute Vormittag auf einer der farbigen Wandmalereien? „We love Nova Scotia“ - das können wir unterschreiben und wir waren bestimmt nicht zum letzten Mal hier.

Die Fahrt zum Airport dauert mit einer Stunde doppelt so lange wie die Hinfahrt vor drei Wochen. Der Grund: Brückensperrung - und ohne die große Brücke über die „Narrows“ ergeben sich auch hier größere Umwege. Die Fahrt ist aber nochmal sehr schön, führt sie doch (langsam, wegen Geschwindigkeitsbegrenzungen) durch Vororte und am Wasser entlang. Mit der üppigen Natur ist das noch einmal eine Erinnerung an die Küstenstraßen der vergangenen Tage - eine schöne Ergänzung unseres ohnehin gelungenen Abschlusstages.

Die Rückgabe des Mietwagens ist wie gewohnt eine Sache von 2 Minuten. Der Airport ist klein, weshalb es auch keinerlei Wartezeiten bei der Gepäckaufgabe oder Sicherheitskontrolle gibt. Letztere beschäftigt mich dann aber geschlagene 30 Minuten. Das meine Kameraausrüstung auf Sprengstoff untersucht wird, habe ich in all den Jahren ja schon oft erlebt. Diesmal haben sie aber Spurenelemente eines verdächtigen Stoffes aufgespürt. Daher nehmen sie auch von meinen Handinnenflächen, meiner Hüfte und Knöcheln Proben und unterziehen mich einer intensiven Körperkontrolle. Der Rucksack geht noch einmal durch den Scanner und wird dann komplett auseinander genommen. Ich erkläre, wofür die ganzen Einzelteile sind - alles super freundlich; der Kontrolleur ist sogar sehr interessiert an Details zu Kamera und Objektiven. Am Ende ist alles gut (natürlich, ich habe ja nix zu verbergen), wir füllen gemeinsam noch ein Formular aus und ich bedanke mich für die sorgfältige Kontrolle. Dass die Officers so genau sind, dient ja schließlich auch unserer eigenen Sicherheit.

Um die Zeit bis zum um 30 Minuten verspäteten Boardings zu überbrücken gibt es noch ein letztes Bier und eine Margaritha an der Bar; Gabi schreibt Tagebuch und ich schaue mir Videos zu den neuen Betriebssystemen für Mac, iPhone und iPad an. Die werde ich installieren, wenn wir wieder zu Hause sind („never change a running system“ - jedenfalls nicht, wenn du wie wir hier im Urlaub auf die Geräte angewiesen bist).

Der Flug ist mit 6,5 Stunden kurz; um 07:20 Uhr sind wir in Frankfurt; die Nacht war wegen der Zeitumstellung für uns 5 Stunden kürzer. Dann geht alles wider erwarten sehr schnell. Immer müssen wir ewig auf die Koffer warten - jetzt sind sie Nr. 3 und 5, die vom Band rollen. Überraschung - auf zum Fernbahnhof. Einen optimalen ICE nach Düsseldorf verpassen wir um nur 1 Minute. Die Wege sind halt weit auf dem Airport FRA. Aber der nächste kommt schon in 15 Minuten. Den müssen wir in Köln verlassen, bekommen aber dort sofort Anschluss nach Düsseldorf. Und da können wir die RE 10 eigentlich nicht erreichen, weil sie zeitgleich abfahren müsste, wie unser ICE einläuft. Trotz Fußweg von Gleis 18 zu 5 schaffen wir es aber. Diesmal ist es gut, dass der RE 10 fünf Minuten später abfährt. So sind wir bereits um kurz vor 11 Uhr in Nieukerk. Ich hole schnell das Auto von zu Hause, dann sind auch die Koffer und Gabi wieder daheim.

Und so endet auch dieses Tagebuch am „Tag danach“. Fazit? Es war eine tolle und vor allem super entspannte und entspannende Reise. Ich bin überrascht, dass aus den als kürzeste Strecke „geplanten“ 3.500 km am Ende 5.007 km wurden, die wir mit unserem Ford zurückgelegt haben. Die Abstecher, Umwege und Ausflüge in diesem riesigen Land machen sich bemerkbar; sind aber jeden Kilometer Wert, denn: „Der Weg ist das Ziel!“

Im Gegensatz zu den USA und dem westlichen Kanada stehen hier im maritimen „Atlantic Canada“ an der Ostküste nicht die großen Nationalparks mit ihren spektakulären Landschaften („Gros Morne NP“ ausgenommen) im Fokus. Hier geht es mehr um das Lebensgefühl und die Mischung aus hügeliger Berglandschaft, die immer vom Wasser (Seen, Fjorde, Flüsse, Meer) begleitet wird. Kaum Menschen und Autos, viel Landschaft, sagenhaft viele Bäume und die relaxte Einstellung der Menschen hier hat für uns einen unfassbaren Erholungswert gehabt.

Das Fotografieren mit der Z8 und der „Holy Trinity“ hat super viel Spaß gemacht. Der Umstieg von jahrzehntelanger DSLR-Praxis (Spiegelreflex) auf die Systemkamera ist tatsächlich erwartet ungewohnt. Vieles ist anders - in der Nikon-Welt aber sehr leicht verständlich; die Handhabung ist in wesentlichen Punkten sehr gewohnt. Der Autofokus ist der Hammer, der Dynamikumfang super und die hohe Auflösung auch. Dazu kommt die ausgefuchste Möglichkeit, individuelle Einstellungen und Tastenbelegungen festzulegen. Automatikprogramme fehlen verständlicherweise bei dieser Kategorie komplett, was auch Gabi animiert hat, sich intensiver als sonst damit zu beschäftigen, wie gute Fotos gelingen können. Auch der Austausch mit ihr hat viel Spaß gemacht. Zusätzlich hat sie hin und wieder ein Foto beigesteuert, das sie mit ihrem iPhone gemacht hat - darin ist sie nämlich auch wirklich gut.

Reisen ist und bleibt unser liebstes Hobby. Hoffen wir, gesund und munter zu bleiben. Und gehen wir mal davon aus, dass die „Welt“ irgendwann auch wieder in ein vernünftiges Fahrwasser kommt und nicht noch mehr aus dem Gleichgewicht gerät. Daran müssen wir alle arbeiten, auch wenn unser Einfluss darauf beschränkt ist. Aber: jeder kleine Schritt zählt. So werden wir hoffentlich bald ein neues Reisekapitel aufschlagen und dann auch wieder ein neues Reistagebuch eröffnen. Bis dahin tun wir, was wir gerne tun und genießen unser schönes Zuhause und die lieben Menschen, die wir hier nicht vermissen müssen. In diesem Sinne: wir sehen uns - bis bald!!

Tagesetappe: 44 Kilometer
Übernachtung: Discover Airlines (Lufthansa)

© 2025 Gabi & Jürgen