Tagebuch




Newfoundland extreme

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Jürgen auf dem Lower Head Lighthouse Trail, Twillingate, NL

Wir haben gut geschlafen und das Aufwachen begann heute auch nicht wie gestern bereits um 06:00 Uhr. Da klingelte nämlich der Wecker auf Gabis Nachttisch. Den hatten wohl Vorbewohner nicht entschärft. Sie haut ihn aus und 10 Minuten später meldete der sich wieder. Stecker raus. Dann 06:30 Uhr (11:00 Uhr in Deutschland); mein iPhone schreit - Nina-App, Sirenenprobealarm; klar der ist heute und mit Zeitverschiebung passt das. Also wenn es jemanden interessiert: die Sirene für die Hosentasche funktioniert in Neufundland. Heute erwachen wir ganz entspannt und lauschen dem Regen, der bereits die ganze Nacht an das Fenster klopft.

Da wir eine weite Fahrt vor uns haben packen wir zusammen, holen noch einen Kaffee und etwas Obst aus der Coffee-Bar (der Service des Hauses ist wirklich sehr, sehr gut) und fahren los. 08:15 Uhr, aktuell regnet es nur wenig, aber auf den Straßen steht zum Teil viel Wasser. Da heißt es vorsichtig zu fahren. Die Fahrt wird unterbrochen durch Tanken und Sandwiches kaufen in Deer Lake, einem Besuch im Visitor Center mit „Washroom“ vor der „Road to the Isles“ und einem kleinen Obsteinkauf im „Lewisporte Foodland“ und endet um 14:00 Uhr in Twillingate - es hat die ganze Zeit mehr oder weniger geregnet.

Vom Gros Morne National Park ging es dabei über den Viking Trail zunächst zurück bis in die kleine Ortschaft Deer Lake. Dort knüpften wir wieder an den Trans-Canada-Highway #1 an, der uns durch die Zentralregion Neufundlands in Richtung Osten führte. Dabei nimmt die Straße große Umwege, da immer wieder Seen und große Meeresbuchten umfahren werden müssen. Dieses Gebiet ist geprägt von Misch- und Nadelwald, Seen und völliger Abgeschiedenheit. Gabi fragt sich unterwegs, ob hier auch Leute leben? Und was die dann arbeiten? Oder als was sie arbeiten würde, wenn sie hier leben würde? Oder wo die Kinder zur Schule gehen? Oder was ist, wenn die hier einen Herzinfarkt kriegen. Wahrscheinlich gibt es hier keinen Grund, einen Herzinfarkt zu bekommen - hier ist die Welt ruhig, friedlich und die Uhren ticken anders als bei uns.

An der Notre Dame Junction verlassen wir den Trans-Canada-Highway und wechseln auf die #340, die „Road to the Isles“ (da die Straße mehrere Inseln über Brücken und Dämme miteinander verbindet), die uns durch eine eindrucksvolle und verwinkelte Küstenlandschaft zu den Twillingate Islands, einem der touristischen Höhepunkte Neufundlands führte.

Twillingate wird auch als die „Iceberg Capital of the World“ bezeichnet und dieser Titel ist berechtigt, denn die kleine Stadt Twillingate ist hier der Ausgangspunkt, um Eisberge zu sehen. Bis zum Mittsommer hat man in der Regel die beste Sicht auf die majestätischen Boten der Kälte, die vom Labrador Strom von den großen Gletschern im hohen Norden bis vor die Küste Neufundlands getrieben werden.

Wir checken im Anchor Inn ein. Hier gibt es auch ein beliebtes Restaurant und einen Pub, in dem ab 20:30 Uhr Live-Musik geboten wird. Für beides sollte man reservieren. Wir studieren die Speisenkarten - beide sehen super aus. Also dann der Pub, allein schon wegen der Live-Musik. Wir reservieren für 19:00 Uhr und fahren ein paar Meter weiter bergan, wo sich das Nebenhaus mit unserem Zimmer befindet. Alles die Treppe hoch wuchten, einrichten und feststellen: es gibt doch Wifi hier. Vater schreibt, dass es die deutsche Basketballmannschaft gegen Finnland ins Finale der EM geschafft hat. Herzlichen Glückwunsch!

Ich schreibe schon Tagebuch bis hierher, dann ruhen wir etwas aus. Später soll der Regen vielleicht etwas nachlassen. Dann möchten wir unbedingt noch eine Runde laufen und ein paar Bilder machen. Das kam heute noch viel zu kurz.

Am Long Point im Norden der Stadt beim Twillingate Lighthouse, das auch eine Aussichtsplattform hat, bietet sich nämlich auch ohne Eisberge ein grandioses Panorama. Auf dem Weg dorthin gibt es diverse Möglichkeiten, sich die Beine zu vertreten.

An der Küste (French Head) gibt es tolle Felsformationen mit klangvollen Namen wie Bears Head, Cobra Snake und Figure of Indian. Eine sehr schöne Wanderung (Lighthouse/Lower Head Trail) läuft vom Leuchtturm am Long Point auf hohen Klippen südwärts und parallel zum zerklüfteten Ufer durch den Sea Breeze Park.

Als wir mit dem Auto auf dem Parkplatz vor dem Leuchtturm halten, schüttelt es den Escord mächtig durch. Was ist das? Jacke an, Regenjacke drüber, Bergstiefel haben wir schon an - raus. Gar nicht so einfach, die Türen aufzukriegen; hier pfeift ein unglaublicher Wind und deshalb ist wohl auch niemand anderes hier. Regen ist auch zu spüren, aber eher als kleine, harte Einschläge auf der Regenjacke. Es regnet nicht wirklich viel, das Problem ist der Wind. Wir versuchen, etwas herumzugehen und müssen allen ernstes aufpassen, nicht davonzufliegen. Das ist sicher einer der härtesten, wenn nicht der härteste Wind, den ich jemals erlebt habe.

Selbst fotografieren ist nicht einfach. Ich habe Aufnahmen mit 1/500 Sekunde, die verwackelt sind, weil entweder die Kamera ruckte oder Gabi sich nicht halten konnte. Wir klettern dennoch um das Lighthouse herum sowie über den Lower Head Trail und haben faszinierende Aussichten. Der Himmel ist grau und es ist kaum zu sehen, wo am Horizont die Wasserlinie ist. Das Meer ist aufgewühlt und wir passen auf, dem Rand der Klippen nicht zu nahe zu kommen. Die Böen sind so heftig, dass sie nicht auszurechnen und auch kaum zu halten sind. Es gibt einen Weg, den können wir einfach nicht hinuntergehen, weil der Gegenwind zu stark ist. Sagenhaft, dieser Kontrast zu den letzten Tagen. Das ist Neufundland extrem - aber auch, wie man sich das so vorstellt mit den Kräften der Natur. Wir haben trotz oder gerade wegen der heftigen Bedingungen großen Spaß.

Am Ende sind wir dankbar für dieses Erlebnis - das Land auch von dieser Seite kennenlernen zu dürfen. Das hatte schon was!

Hinterher halten wir noch in Crows Head, wo Häuser direkt an der Klippe stehen. Ein kurzer Abstecher an den Hafen von Twillingate zur Meerjungfrau und mit Blick auf unsere blaue Unterkunft auf der gegenüberliegenden Seite rechts neben der Kirche; dann fahren wir zurück zum Zimmer. Dort schaffen wir es, die Fotos auszusuchen und zu bearbeiten, dann gehen wir hinunter zu „Captain’s Pub“.

Da gibt es leckeres Bier vom Fass, für Gabi einen Anchor Inn Cocktail und Cider. Wir bestellen eine Pizza mit Meeresfrüchten (Scallops und Scampi) und eine mit scharfer Salami. Sehr gut, aber viel zu viel. Ab 20:30 Uhr gibt es live-Music mit Mike Sixonate. Er entpuppt sich als grandioser Picker, der seine Gitarre so brillant und schnell bearbeitet, dass einem schwindelig wird. Mike erzählt nicht nur lustige Geschichten aus seinem Leben und singt meist eigene Songs, aber auch einige irische Traditionals. Die Gitarrenbegleitung ist echt Hammer!! Er spiel ein Open-Dsus2-Tuning, was die Sache für mich noch spannender macht.

Jetzt ist es nach 23:00 Uhr und wir sind immer noch pappsatt, aber sehr zufrieden mit diesem außergewöhnlichen Tag, an dem wir Neufundland von einer anderen Seite erleben durften. Ab Morgen soll das Wetter wieder besser werden.

Tagesetappe: 444 Kilometer
Übernachtung: Anchor Inn, 3 Path End, Twillingate, NL A0G 4M0

Entschleunigt auf den Cabot Trail

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Jürgen & Tiny Little Bear auf der Marine Atlantic Ferry, North Sydney, NS

Es ist High Noon und wir fahren immer noch Fähre. Derzeit erwartete Ankunftszeit in Sydney: 13:30 Uhr nach Zeitrechnung von Nova Scotia. Die Uhren haben wir heute nach dem Aufwachen bereits wieder um 30 Minuten zurückgestellt. Zu diesem Zeitpunkt gab es über Lautsprecher auch das neueste Update zur Ankunftszeit.

Was ist passiert? Wir erfahren, dass die Verspätung gestern auf einen technischen Defekt zurückzuführen war, der in Neufundland auch nicht behoben werden konnte. Eine Maschine ist ausgefallen und wir fahren nun die ganze Tour mit nur einem Motor. Das reduziert den Antrieb und macht uns langsam. Ärgerlich, aber nicht zu ändern. Wir sind inzwischen froh, überhaupt zu fahren und nehmen das ganze wie eine Kreuzfahrt. Das entschleunigt nicht nur die Fähre, sondern auch uns natürlich total, macht uns aber auch die heutige Programmplanung zunichte.

Aber: nicht auszudenken, wenn die Fähre gestern überhaupt nicht gefahren wäre. Dann säßen wir immer noch in Neufundland und ich möchte mir nicht ausmalen, mit welchen Unannehmlichkeiten es verbunden gewesen wäre, dort im Niemandsland ein Nachtquartier zu suchen und dann für die nächsten Tage einen Platz auf irgendeiner der ohnehin gut ausgebuchten Fähren zu sichern. Gruselig. Wir haben es ja bequem: die Sonne scheint, aufgrund der geringen Geschwindigkeit besteht keine Sorge, dass wir seekrank werden (auch das möchte ich mir nicht ausmalen) und wir haben noch unsere sehr bequeme Kabine. Überhaupt ist das Schiff super ausgestattet. Steckdosen überall, sogar USB-C-Anschlüsse in jeder Tischkante, bequeme Sitzgruppen etc. Unsere Kabine nutzen wir gern. -andere haben keine gebucht und verbringen die Nacht und den Vormittag in den unterkühlten Räumen mit den Flugzeugsitzen. Viel Platz - aber doch sehr frisch.

Einzig die Organisation ist nicht so, wie wir es bisher kennen gelernt haben. Das haben die „Newfies“ irgendwie nicht drauf. Schon das Boarding gestern war holprig, die Damen an der Bar gestern völlig unorganisiert und überfordert und auch die Frühstückstheke kriegen Gabis Leute bei Freudenberg besser hin. Da kann man mit wenig Aufwand für bessere Abläufe sorgen. Doch auch dies liegt nicht in unserer Hand und wir konzentrieren uns darauf, die Ruhe zu bewahren.

Zum Frühstück gab es 2 große Kaffee und ein leckeres Sandwich für jeden, Gabi hat noch einen Yoghurt mit Früchten und Cerealien draufgelegt. Ich habe gerade noch 2 Stunden fest geschlafen - vorher haben wir ne gute Stunde in der Sonne gesessen, mehr wäre ungesund gewesen.

Wieder auf dem Sonnendeck sehen Tiny und ich endlich Land (hurra!!); der Blick zurück: Wasser, soweit das Auge reicht.

Leider gibt es hier weder Mobilfunk noch funktionierendes WLAN. So müssen wir mal sehen, wann wir runter sind von der Fähre und was dann noch geht. Den Cabot Trail heute noch komplett zu fahren scheidet natürlich aus. Das ist dann morgen mit hoffentlich viel Zeit möglich. Bei Regen hätten wir das heute auch nicht gemacht. Vielleicht ein Teilstück? Oder doch die Fortress de Louisbourg? Ich werde berichten!

Es wurde der Cabot Trail - zumindest einen ersten Eindruck haben wir gewinnen können. Das Verlassen der Fähre gestaltet sich auch mühsam, um 13:45 Uhr haben wir endlich wieder festen Boden unter den Rädern. Fast 24 Stunden haben wir uns mit dieser Fähre beschäftigt - eindeutig zu lange.

Lust auf weitere Bauwerke der Briten und Franzosen mit Kanonen und allerlei Mummenschanz für die interessierten Touristen haben wir nicht. Wir möchten Natur und den Cabot Trail sehen, auch wenn es heute nur für einen sehr kurzen Einblick bei gleichzeitig langer Fahrstrecke reichen kann.

Nach 90 Minuten sind wir in Ingonish Beach am Rande des Cape Breton Highlands NP. Die Fahrt war super und hat viel Spaß gemacht. Im Visitor Center holen wir uns die notwendigen Informationen für morgen ab und fühlen uns nun gut vorbereitet. Auf Empfehlung absolvieren wir noch den nahe gelegenen „Middle Head Trail“, der durch bunte Blumenwiesen und dichten Wald bei schönen Ausblicken auf den Ozean führt. Eine gute Stunde sind wir hier unterwegs. Dann stehen weitere 2 Stunden Fahrt zur Unterkunft an.

Diese erreichen wir bei spektakulärem Licht der untergehenden Sonne um 19:20 Uhr. Es ist so gerade noch hell. Aber was war das für eine Fahrt: über den gewundenen Cabot Trail, eine spektakuläre Küsten- und Bergstraße mit sagenhaften Ausblicken, die man wie alles hier in Bildern nicht wirklich festhalten kann. Als wir nach einer Stunde wieder auf dem Highway sind lässt Gabi ihren Haltegriff entspannt los und serviert von diesen unglaublich leckeren, knackigen und kernlosen Trauben. Wir müssen nochmal nach Norden fast bis Sydney zurück, um dann wieder nach Süden zu fahren. Iona liegt sehr isoliert zwischen Seen - eine tolle Unterkunft, aber sehr schwer zu erreichen.

Das Motel verfügt über einen Pub und der ist richtig gut. Wir bestellen als Vorspeise einen großen Caesars Salad und dann 2 mal Linguine mit Seafood (reichlich Lobster, Scallops und Gambas in einer Sahnesoße). Weltklasse! Dazu 2 Cider vom Fass (mit stattlichen 7%) sowie einem leichten Bier zum Auftakt und dann einen hazy Propeller IPA - sehr bitter, klasse!

Und jetzt: gute Nacht. Morgen fahren wir wieder diesen langen Zubringer zum Cabot Trail und dann die ganzen 298 km in einer Schleife rund um Cape Breton und durch Highlands NP. Das wird dauern - aber es wird auch viel zu entdecken geben. Bis morgen!

Tagesetappe: 284 Kilometer
Übernachtung: The Iona Heights Inn, 4115 Hwy 223, Iona, NS B2C 1A3

The World Famous Cabot Trail

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Gabi auf dem Skyline Trail, Cape Breton Highlands NP, NS

Wir haben unsere geplante Route gestern Abend bereits in google Maps mal angeschaut. Weia - mit allen Abstechern 7 Std. Fahrtzeit. Dazu kommen 2 Stunden für den Skyline Trail und geschätzt 3 Stunden für alle übrigen Unternehmungen. Wenn wir vor Dunkelheit um 19:30 Uhr wieder zurück sein wollen, sollten wir um 07:30 Uhr starten. Und das tun wir dann ganz einfach (ohne Wecker) exakt um diese Uhrzeit.

Draussen ist es herrlich, Nebel liegt über den Seen und wir fahren diesmal „unten rum“ um die Seenlandschaft, das heißt zunächst in südliche Richtung. Das Navi zeigt schon nach 20 km eine Fährennutzung an. Das hatten wir gar nicht auf dem Schirm. Und wie geht das? Die „The Little Narrows Ferry“ ist abfahrbereit, als wir ankommen; wir rollen aufs Deck, vor uns sind schon 4 andere Fahrzeuge da. Sie ziehen die Auffahrrampe hoch (und lassen sie nochmal runter, weil ein weiteres Auto kommt), fahren 3-5 Minuten und wir sind wieder runter. Dabei kostet der Spaß noch nicht einmal etwas („don’t pay the ferryman“) und läuft 24/7. Super.

Als die Fähre sofort wieder zurück fährt gelingen Aufnahmen im Gegenlicht - und am nahen Ufer strahlen die Bäume in der aufgehenden Sonne und spiegeln sich im Wasser. Je nach Blickrichtung ergibt sich eine andere Stimmung - der Nebel, der über dem Wasser treibt passt perfekt dazu.

Der Cabot Trail auf Cape Breton Island zählt zu den berühmtesten Panoramastraßen Nordamerikas. Nicht umsonst steht auf den Hinweisschildern „The World Famous Cabot Trail“. Auf 298 Kilometern schlängelt sich die Route durch den Cape Breton Highlands National Park, entlang rauer Steilküsten, über bewaldete Hochebenen und durch kleine Fischerorte, die ihren ursprünglichen Charme bewahrt haben. Immer wieder öffnen sich uns weite Blicke über den Atlantik, und mit jeder Kurve scheint die Landschaft ein neues Gesicht zu zeigen. Der Name erinnert an den Entdecker John Cabot, der Ende des 15. Jahrhunderts die Küsten Neufundlands und Nova Scotias erreichte.

Am stillen Ufer von Ingonish Beach frühstücken wir Sandwiches, die wir eben beim Tankstop erworben haben. Nur Vogelgezwitscher begleitet uns – ein ruhiger Moment, bevor wir uns auf die weitere große Rundfahrt über den Cabot Trail begeben. Nach einem kurzen Stopp im Visitor Center geht es weiter nordwärts. Immer wieder halten wir an grandiosen Aussichtspunkten, die den Blick freigeben auf die zerklüftete Steilküste. Dabei klettern wir über die Felsbrocken und haben Spaß beim Fotografieren - beide!

In Neils Harbour entdecken wir den kleinen Hafen mit seinen bunten Häusern und den rot-weißen Leuchtturm, der über den Booten wacht. Wenig später stehen wir in White Point direkt am Wasser und sehen die Felsen und Klippen diesmal aus nächster Nähe – fast schon auf Augenhöhe mit den Wellen. Einige maritime Utensilien der Fischer stehen bunt herum. Als wir die Abstecher-Runde Richtung Cabot Trail schließen sehe ich etwas am rechten Straßenrand. Ein freundlicher Fuchs versteckt sich schnell, kommt aber wieder hervor, als ich vorbei bin. Er guckt uns interessiert an und als ich nach der Kamera greifen will schnürt er über die Straße und verschwindet auf nimmerwiedersehen. So sind sie, die Füchse.

Noch eindrucksvoller wird es weiter nördlich in Meat Cove. Die staubige Anfahrt über Schotterstraßen lohnt sich, denn der Ausblick von diesem entlegenen Campingplatz ist schlicht überwältigend. Wir haben das Gefühl, am Ende der Welt zu sein. Das hier ist einer der Top Spots für Walsichtungen vom Ufer aus. Und am frühen Morgen wurden auch schon welche gesehen. Wir ahnen es mehr, als wir es wirklich wissen: sie sind da und wir sehen auch immer wieder, wie was auftaucht aus der Tiefe - leider sehr, sehr weit entfernt. Ich habe mein 200er Tele drauf und bin sicher: da ist was. Ich drücke ab und habe tatsächlich einen Rücken mit Flosse erwischt, leider winzig klein - das lässt sich nicht nutzbar herausvergrößern.

Auf der Weiterfahrt sehen wir unbekannte Meeresvögel und mit Tiny auf dem Dashboard genießen wir die spektakuläre Fahrt durch diese Berglandschaft - immer in Küstennähe und daher mit viel Aussicht. Wir passieren eine Berglandschaft mit der Erdfalte, die einst Amerika mit Afrika verbunden hatte - das ist aber schon 300 Millionen Jahre her.

Am Nachmittag besuchen wir dann das das Whale Interpretive Centre in Pleasant Bay - eine interessante Ausstellung rund um das Thema Wale. Eindrucksvoll sind die Größenvergleiche zwischen Walen, Delfinen etc. an der Wand. Dort zeige ich den Experten meinen Miniausschnitt aus dem Foto und sie bestätigen: es ist ein Pilotwal! Yes!! Gutes Auge gehabt. Die Bilder mit der Fluke vor offenen Meer sind auch dort entstanden.

Nun begeben wir uns auf den Skyline Trail. Die Empfehlung war: recht früh (ging nicht) oder eher spät. 15:00 Uhr scheint „eher spät“ zu sein, denn es ist nicht viel los. Dabei war der Trail morgens noch wegen Überfüllung geschlossen worden. Wir fragen nach Coyoten, weil davor gewarnt wurde. Die Rangerin auf dem Parkplatz erzählt, dass hier tatsächlich vor rd. 10 Jahren mal eine Wanderin von einem Coyoten angefallen und getötet wurde. Heute sei es aber sicher. Bären und Moose gibt es hier auch. Bei bestem Wetter wandern wir fast allein über den Pfad, und am Ende erwartet uns der berühmte Blick über die Steilküste – vielleicht der schönste Moment des Tages.

Nein, ganz sicher der schönste Moment, denn wieder einmal wird uns bewusst, wie privilegiert und glücklich wir sind, dass alles bei diesen Bedingungen erleben zu dürfen. Der Skyline-Trail macht seinem Namen alle Ehre: Himmel, Wasser, Felsen - grandiose Ausblicke. Gabi macht auch eine Panorama-Aufnahme eines kleinen Teilstücks des Cabot Trails mit dem iPhone. Es macht so viel Spaß, hier über die Boardwalks und Stufen zu steigen und wir machen viele Aufnahmen. Obwohl wir uns viel Zeit lassen sind wir bereits um 16:50 Uhr wieder am Trailhead. Hier trifft sich gerade eine Gruppe mit einer Rangerin für einen „Guided Hike“ und wir verquatschen uns total mit ihr und den Gästen. Auch sie bestätigt die Pilotwal-Sichtung.

Über Cheticamp komplettieren wir die Runde, machen noch ein paar Fotos an der Küste bei Sonnenuntergang und erreichen am Abend wieder die gerade abfahrtbereite Fähre, die diesmal für uns nochmal die Rampe runterlässt. 20 Minuten später und zwar um 19:15 Uhr sind wir an unserer Unterkunft angekommen – erfüllt von einem großartigen Tag auf einer der schönsten Straßen Kanadas und mit grandioser Lust auf ein Bier vom Fass. Die Planung passte!

Und das mit dem Bier passte auch. Im „The Frolic & Folks Pub“ esse ich Thai Chicken Nachos und Gabi Schwertfisch „Cajun Style“, dazu teilen wir uns einen großen Spinatsalat mit Ei, Mandarinen, Champignons und Mozzarella. Ich trinke 2 IPAs und mag den bitteren, fruchtigen Geschmack, wenn er frisch aus dem Fass kommt - erst Recht nach einem solchen Tag. Heute Abend schaffe ich es aber nicht mehr, das Tagebuch zu schreiben - ich bin glücklich geschafft.

Daher entsteht dieser Beitrag erst am nächsten morgen nach dem Aufwachen - vorher gehts ja auch nicht.

Tagesetappe: 447 Kilometer
Übernachtung: The Iona Heights Inn, 4115 Hwy 223, Iona, NS B2C 1A3

We love Nova Scotia

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Jürgen an der Waterfront, Halifax, NS

Nach einer sehr guten Nacht ist es praktisch, dass unser Zimmer so groß ist. Schließlich muss Gabi alle Klamotten, die uns die letzten 3 Wochen begleitet und auch unser Auto belagert haben, in 2 Koffern zzgl. Handgepäck verstauen. Das hat sie drauf - ich bewundere, dass das überhaupt geht. Das Frühstück ist prima, das Hotel wegen Ausstattung und Lage (!) Sehr zu empfehlen!

Als erstes besuchen wir heute die Halifax Citadel NHS, eine sternförmige Festung hoch über der Stadt und praktischer Weise direkt gegenüber unseres Hotels. Schon beim Hinaufgehen zum Eingang merken wir, wie dominant sie über dem Hafen thront – kein Wunder, dass die Briten hier schon 1749, im Jahr der Stadtgründung, mit Befestigungen begannen. Die heutige Anlage stammt von 1856 und ist bereits die vierte an dieser Stelle. Interessant: so massiv wie sie gebaut wurde, kam sie nie in einer Schlacht zum Einsatz. Der Eintritt ist mit unseren Jahrespässen abgegolten.

Wir schlendern durch die Kasematten und Magazine, schauen uns die Ausstellungen an und bekommen ein gutes Gefühl dafür, wie das Soldatenleben im 19. Jahrhundert hier oben ausgesehen hat. Der Freiplatz in der Mitte ist riesig. Besonders beeindruckend ist der Kanonenschuss zur Mittagsstunde, der seit 1857 täglich abgefeuert wird - um dieses Zeit sind wir aber schon lange wieder verschwunden hier. Von den Mauern aus genießen wir den weiten Blick über die Stadt und den Hafen – ein großartiger Moment, an dem sich Geschichte und Gegenwart von Halifax auf besondere Weise verbinden. Auch in eine der unterirdischen Munitionskammern verirren wir uns. Dennoch: Militär und Militärgeschichte mit den Ausstellungen all dieser Waffen, die nur dazu gemacht sind, andere Leute umzubringen, sind nicht wirklich unser Ding. Es gehört dazu, sich ein Bild zu machen und sich mit diesen Dingen zu beschäftigen. Daher sind die Beschreibungen, wie die Menschen hier in den verschiedenen Epochen gelebt haben, für uns auch durchaus interessant. So richtig „schön“ finden wir aber insbesondere Ausstellungen verschiedener Kampfmittel, Uniformen, Ehrenzeichen etc. im Army Museum, das im großen Gebäude untergebracht ist, nicht. Es wird Zeit, dass wir hier verschwinden, die ersten Busse rollen an. Unten im Hafen liegen neue Kreuzfahrtschiffe.

Vorbei am „Old Clock Tower“ spazieren wir bergab und erreichen die City Hall inkl. kleinem Triumphbogen. Und nochmal einige hundert Meter weiter bergab gelangen wir wieder an die Waterfront. Es ist nochmal ein wunderschöner Tag mit blauem Himmel und ich wundere mich immer, welche Kraft die Sonne hat. Selbst bei Temperaturen um 16 Grad (später sind es über 20) kannst du mühelos mit dem T-Shirt rumlaufen und musst dich sogar noch vor der Sonne schützen. Oben an der Zitadelle oder im Schatten der Hochhausfluchten pfeift der Wind (so kalt) und es ist extrem frisch.

An der Waterfront finden wir die maritimen Motive, aber auch viel Kunst und Straßenmusiker. Beliebt sind irische Weisen auf der Fiddle - für 5 Minuten ganz schön, aber dann wird es anstrengend. Gabi findet einen interessant beschnittenen Stein und schafft es, das Lighthouse winzig klein im Durchbruch abzubilden. „The Emigrant“ weist auf Freud und Leid der Einwanderer hin und ist ein Vorbote des Museums über die große Einwanderung nach dem 2. Weltkrieg weiter hinten im Hafen. Dort befindet sich auch der historische Farmersmarket, der mit den üblichen frischen Produkten, aber auch mit allerlei liebevoll gestalteten Handwerken und kreativen Nahrungsmitteln aufwartet. Ein buntes Gewusel an Menschen, Geräuschen und Düften begleitet uns durch die Reihen der Aussteller und Verkäufer.

Zurück an der Waterfront gehen wir nochmal zu den betrunkenen Lampen hinüber; die finden wir allzu witzig. Das Kunstwerk aus dem Jahre 2012 heißt „The way things are“. Eine Tafel beschreibt das Kunstwerk kurzgefasst so: „Die drei Skulpturen von Chris Hanson und Hendrika Sonnenberg nehmen die Form funktionierender Straßenlaternen an, die besonders „menschliche“ Dinge tun. Sie zeigen eine umgestürzte Laterne, während eine zweite Lampe scheinbar besorgt darauf herabblickt. Diese spielerische Installation verweist auf die kleinen, schelmischen Verhaltensweisen, die man in unseren Städten und an den Uferpromenaden nur allzu oft beobachten kann.“ Wir sehen hier allerdings keine betrunkenen oder herumliegenden Leute - gut so!

Nun setzen wir uns in zwei der vielen bunten, und liebgewonnenen Canada-Stühle, legen die Füße hoch und schauen mal 30 Minuten einfach so aufs Wasser. So langsam bekommen wir Lust auf ein Getränk und einen kleinen Snack. Wir verlassen daher die bunte Waterfront mit dem größeren Trubel - auch der Kreuzfahrttouristen - und schlendern wieder bergan Richtung „Innenstadt“/Downtown. Dabei begegnet uns zum x-ten Male eines dieser Amphiebienfahrzeuge der „Harbour Hopper“, die Stadtrundfahrten durchführen und am Ende einfach so in den Hafen düsen, um eine kleine Hafenrundfahrt anzuschließen. Bunt und lebhaft - so ist die Waterfront.

Nach einen Blick auf den Uhrenturm vom Rathausvorplatz aus finden wir das „Dursty Nelly“ in der Argyle Street, einen belebten Irish Pub mit einem schönen Plätzchen für uns draussen in der Nachmittagssonne. Wir teilen uns Pulled Pork Nachos mit BBQ-Soße (die Nachos sind diesmal frittiert, bevor sie mit all den Zutaten überbacken wurden) dazu gibt es wie immer ein Bierchen bzw. Cider. So vergeht die Zeit.

Ein Stündchen haben wir noch, dann sollten wir aufbrechen Richtung Airport. Was noch fehlt von den Sehenswürdigkeiten der Stadt ist der „Public Garden“. Diese Oase der Ruhe befindet sich nur 2 Blocks vom Hotel - und damit dem Stellplatz unseres Autos mit dem ganzen Gepäck - entfernt, allerdings steil bergan. Das ist aber leicht bewältigt und wir machen noch einige bunte Bilder zum Abschluss. Besonders stark vertreten sind hier Dahlien, die in vielen Farben und Formen daherkommen. Auf einem Teich grüßt die Titanic noch einmal, dann heißt es auch für uns Abschied zu nehmen. Wie hieß es heute Vormittag auf einer der farbigen Wandmalereien? „We love Nova Scotia“ - das können wir unterschreiben und wir waren bestimmt nicht zum letzten Mal hier.

Die Fahrt zum Airport dauert mit einer Stunde doppelt so lange wie die Hinfahrt vor drei Wochen. Der Grund: Brückensperrung - und ohne die große Brücke über die „Narrows“ ergeben sich auch hier größere Umwege. Die Fahrt ist aber nochmal sehr schön, führt sie doch (langsam, wegen Geschwindigkeitsbegrenzungen) durch Vororte und am Wasser entlang. Mit der üppigen Natur ist das noch einmal eine Erinnerung an die Küstenstraßen der vergangenen Tage - eine schöne Ergänzung unseres ohnehin gelungenen Abschlusstages.

Die Rückgabe des Mietwagens ist wie gewohnt eine Sache von 2 Minuten. Der Airport ist klein, weshalb es auch keinerlei Wartezeiten bei der Gepäckaufgabe oder Sicherheitskontrolle gibt. Letztere beschäftigt mich dann aber geschlagene 30 Minuten. Das meine Kameraausrüstung auf Sprengstoff untersucht wird, habe ich in all den Jahren ja schon oft erlebt. Diesmal haben sie aber Spurenelemente eines verdächtigen Stoffes aufgespürt. Daher nehmen sie auch von meinen Handinnenflächen, meiner Hüfte und Knöcheln Proben und unterziehen mich einer intensiven Körperkontrolle. Der Rucksack geht noch einmal durch den Scanner und wird dann komplett auseinander genommen. Ich erkläre, wofür die ganzen Einzelteile sind - alles super freundlich; der Kontrolleur ist sogar sehr interessiert an Details zu Kamera und Objektiven. Am Ende ist alles gut (natürlich, ich habe ja nix zu verbergen), wir füllen gemeinsam noch ein Formular aus und ich bedanke mich für die sorgfältige Kontrolle. Dass die Officers so genau sind, dient ja schließlich auch unserer eigenen Sicherheit.

Um die Zeit bis zum um 30 Minuten verspäteten Boardings zu überbrücken gibt es noch ein letztes Bier und eine Margaritha an der Bar; Gabi schreibt Tagebuch und ich schaue mir Videos zu den neuen Betriebssystemen für Mac, iPhone und iPad an. Die werde ich installieren, wenn wir wieder zu Hause sind („never change a running system“ - jedenfalls nicht, wenn du wie wir hier im Urlaub auf die Geräte angewiesen bist).

Der Flug ist mit 6,5 Stunden kurz; um 07:20 Uhr sind wir in Frankfurt; die Nacht war wegen der Zeitumstellung für uns 5 Stunden kürzer. Dann geht alles wider erwarten sehr schnell. Immer müssen wir ewig auf die Koffer warten - jetzt sind sie Nr. 3 und 5, die vom Band rollen. Überraschung - auf zum Fernbahnhof. Einen optimalen ICE nach Düsseldorf verpassen wir um nur 1 Minute. Die Wege sind halt weit auf dem Airport FRA. Aber der nächste kommt schon in 15 Minuten. Den müssen wir in Köln verlassen, bekommen aber dort sofort Anschluss nach Düsseldorf. Und da können wir die RE 10 eigentlich nicht erreichen, weil sie zeitgleich abfahren müsste, wie unser ICE einläuft. Trotz Fußweg von Gleis 18 zu 5 schaffen wir es aber. Diesmal ist es gut, dass der RE 10 fünf Minuten später abfährt. So sind wir bereits um kurz vor 11 Uhr in Nieukerk. Ich hole schnell das Auto von zu Hause, dann sind auch die Koffer und Gabi wieder daheim.

Und so endet auch dieses Tagebuch am „Tag danach“. Fazit? Es war eine tolle und vor allem super entspannte und entspannende Reise. Ich bin überrascht, dass aus den als kürzeste Strecke „geplanten“ 3.500 km am Ende 5.007 km wurden, die wir mit unserem Ford zurückgelegt haben. Die Abstecher, Umwege und Ausflüge in diesem riesigen Land machen sich bemerkbar; sind aber jeden Kilometer Wert, denn: „Der Weg ist das Ziel!“

Im Gegensatz zu den USA und dem westlichen Kanada stehen hier im maritimen „Atlantic Canada“ an der Ostküste nicht die großen Nationalparks mit ihren spektakulären Landschaften („Gros Morne NP“ ausgenommen) im Fokus. Hier geht es mehr um das Lebensgefühl und die Mischung aus hügeliger Berglandschaft, die immer vom Wasser (Seen, Fjorde, Flüsse, Meer) begleitet wird. Kaum Menschen und Autos, viel Landschaft, sagenhaft viele Bäume und die relaxte Einstellung der Menschen hier hat für uns einen unfassbaren Erholungswert gehabt.

Das Fotografieren mit der Z8 und der „Holy Trinity“ hat super viel Spaß gemacht. Der Umstieg von jahrzehntelanger DSLR-Praxis (Spiegelreflex) auf die Systemkamera ist tatsächlich erwartet ungewohnt. Vieles ist anders - in der Nikon-Welt aber sehr leicht verständlich; die Handhabung ist in wesentlichen Punkten sehr gewohnt. Der Autofokus ist der Hammer, der Dynamikumfang super und die hohe Auflösung auch. Dazu kommt die ausgefuchste Möglichkeit, individuelle Einstellungen und Tastenbelegungen festzulegen. Automatikprogramme fehlen verständlicherweise bei dieser Kategorie komplett, was auch Gabi animiert hat, sich intensiver als sonst damit zu beschäftigen, wie gute Fotos gelingen können. Auch der Austausch mit ihr hat viel Spaß gemacht. Zusätzlich hat sie hin und wieder ein Foto beigesteuert, das sie mit ihrem iPhone gemacht hat - darin ist sie nämlich auch wirklich gut.

Reisen ist und bleibt unser liebstes Hobby. Hoffen wir, gesund und munter zu bleiben. Und gehen wir mal davon aus, dass die „Welt“ irgendwann auch wieder in ein vernünftiges Fahrwasser kommt und nicht noch mehr aus dem Gleichgewicht gerät. Daran müssen wir alle arbeiten, auch wenn unser Einfluss darauf beschränkt ist. Aber: jeder kleine Schritt zählt. So werden wir hoffentlich bald ein neues Reisekapitel aufschlagen und dann auch wieder ein neues Reistagebuch eröffnen. Bis dahin tun wir, was wir gerne tun und genießen unser schönes Zuhause und die lieben Menschen, die wir hier nicht vermissen müssen. In diesem Sinne: wir sehen uns - bis bald!!

Tagesetappe: 44 Kilometer
Übernachtung: Discover Airlines (Lufthansa)

© 2025 Gabi & Jürgen