Tagebuch




Hiking Gros Morne NP South

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Gabi & Jürgen auf dem Partridgeberry Hill, Lookout Trail, Gros Morne NP South, NL

Puh, das war wieder ein sehr langer Tag; anstrengend, mit 2 Wanderungen und viel Fahrerei, aber so toll!! Ich werde wach und vernehme das vertraute Klicken der Z8. Hä? Gabi steht am Fenster und macht Fotos vom Sonnenaufgang. Blick auf den Hafen, gerade läuft eine Fähre ein. Idyllisch! Seit gestern müssen wir für unser Frühstück selber sorgen, also macht Gabi auf dem Zimmer erst mal einen Kaffee. Wir reisen ab, um 08:00 Uhr rollen wir vom Hof. Das ist auch gut so, denn es liegen 4 Stunden Fahrt vor uns.

Die ist aber nach 5 Minuten schon erstmals unterbrochen, denn wir halten am Visitor Center für Neufundland an. Die freundliche Dame fragt, wie lange wir bleiben - noch 5 Nächte! Ups, das sei aber sehr kurz. Beim nächsten Mal sollten wir mindestens 1 Monat einplanen für Neufundland. Ok - merken wir uns! Ausgestattet mit sehr guten Karten und einem tollen Reiseführer fahren wir weiter.

Etwa 25 km nördlich von Port aux Basques passieren wir auf dem Trans-Canada-Highway #1 eine Höhe namens „Wreckhouse“ Das Bergmassiv zeigt eine tiefe Einbuchtung mit einem Doppelgipfel. Ein Schild warnt: „Gust wind area!“ Die Form der Berge verursacht eine Beschleunigung der Südostwinde zu extremen Windgeschwindigkeiten bis zu 160 km/h. Früher hob der Wind dort sogar Eisenbahnzüge aus den Gleisen und auch in den letzten Jahren kippten wiederholt große LKW um. Diesen Hinweis haben wir uns zu Hause schon aus dem Reiseführer notiert und ich fahre entsprechend vorsichtig. Gut, dass Autofahren ansonsten hier so easy ist.

Nach 2 Stunden Fahrt durch traumhafte Berglandschaft mit Tempomat auf 100 km/h und kaum Verkehr erreichen wir Corner Brooks - hier können wir einkaufen. Im Walmaart gibt es aber keine frischen Sandwiches. Das Auto lassen wir stehen und gehen gegenüber einkaufen. Treffer, Sandwiches bekommen. Wie praktisch, dass hier auch ein Liquor Store ist - wir erwerben eine 4-Liter-Kiste Wein; die letzte geht heute Abend sicher zur Neige. Ich trage den Karton wie eine Handtasche und wir queren den Parkplatz. Was ist das? Feuerwehr mit tatütata zu Walmaart, die ganze Beleg- und Kundschaft steht am Sammelplatz mitten auf dem Parkplatz. Die Feuerwehr klärt drinnen auf - Feueralarm. Als wir einige Verkäuferinnen passieren schreien diese kurz auf und verfolgen mich wie den Rattenfänger von Hameln. Ich höre etwas wie „immer dem Wein hinterher“ - dann lachen alle und wir machen uns (allein) mit Wein davon.

Um 12:30 Uhr sind wir im Visitor Center des südlichen Teils des Gros Morne NP. Der Gros Morne National Park gehört zu den eindrucksvollsten Landschaften Kanadas und ist seit 1987 UNESCO-Welterbe. Auf einer Fläche von fast 1.800 Quadratkilometern vereint er dramatische Küstenklippen, tiefe Fjorde, Hochplateaus, glitzernde Seen und bizarre Gesteinsformationen. Der Park gilt auch als „Fenster in die Erdgeschichte“: Hier sind durch die Bewegung der Kontinentalplatten Gesteinsschichten an die Oberfläche gedrückt worden, die sonst tief im Erdinneren verborgen bleiben. Gletscher taten dann ihr Übriges. Im Herzen des Parks liegt die Bonne Bay, eine tief eingeschnittene Meeresbucht, die wie eine natürliche Grenze wirkt und den südlichen vom nördlichen Teil trennt.

Der Park lässt sich so grob in genau diese zwei Teile gliedern: „Gros Morne South“ mit seinen Tafelbergen, den berühmten Tablelands und den großen Binnenseen wie dem Trout River Pond. Hier zeigt sich die Geologie besonders eindrucksvoll - eine fast wüstenhafte Landschaft, die stark im Kontrast zu den grünen Wäldern ringsum steht. „Gros Morne North“ hingegen wird geprägt von den tief eingeschnittenen Fjorden wie dem Western Brook Pond, steilen Klippen und kleinen Fischerdörfern an der Küste. Hier dominiert eher die Kombination aus Wasser, Bergen und Meerblicken. Das kommt morgen dran.

Nach dem kurzen Stopp im Visitor Center geht es für uns direkt auf den Lookout Trail - Empfehlung, dies zuerst zu machen, weil mit fast 400 Höhenmetern anstrengender. Das Wetter meint es immer noch bestens mit uns: strahlend sonnig, klare Sicht, aber auch ordentlich Wind oben in den Höhenlagen. Der Weg führt zunächst steil bergauf, immer wieder über Holzstege, die sumpfige und nasse Passagen überbrücken. Schritt für Schritt öffnet sich die Landschaft, bis wir schließlich auf dem Gipfel des Partridgeberry Hills stehen. Die Aussicht von dort oben ist atemberaubend – die Weite der Bonne Bay, die grünen Täler, dahinter die Berge. Und mittendrin die zwei roten Stühle, die hier oben wie ein inzwischen wohlvertrautes Einladungssignal auf uns warteten. Irgendwie hat das für mich auch teilweise große Ähnlichkeit mit den schottischen Highlands. Fast allein am Berg, nur hin und wieder ein anderes Paar, fühlt es sich an, als gehöre dieser Ausblick ganz uns. 2-3 Stunden soll der Trail dauern - wir sind nach 2:08 Std. Wieder am Auto. Eingespieltes Team, Gabi macht gutes Tempo voran und uns beiden tun die jeweils 11 Kilo gut, die wir nicht mehr mit uns rumtragen. Gute Urlaubsvorbereitung im Sommer!

Im Anschluss fahren wir dann einige Kilometer weiter zum Tablelands Trail – ein echtes Highlight im südlichen Parkteil und für uns ein Pflichtprogrammpunkt - auch das war schon zu Hause klar. Schon beim ersten Schritt fällt die ungewöhnliche Landschaft ins Auge: ockergelbe Steine, fast ohne Vegetation, karg und unwirklich. Das Besondere: Hier wandert man tatsächlich auf Gestein, das ursprünglich aus dem Erdmantel stammt. Durch tektonische Verwerfungen vor 460 Millionen Jahren wurde eine Gesteinsschicht aus mehr als 10km Tiefe an die Oberfläche gehoben. Es ist ockergelb und sehr hart. An frischeren Bruchstellen weist es grünliche bis grauschwarze, durch Längs- und Querrisse entstandene Plättchen auf. Es handelt sich um Peridodit, dessen Zusammensetzung keinerlei Pflanzenwachstum ermöglicht. Die Umgebung gleicht daher einer Mondlandschaft. Normalerweise bleiben solche Schichten viele Kilometer unter der Erdkruste verborgen – im Gros Morne aber läuft man als Besucher buchstäblich mit den Füßen „auf dem Innersten der Erde“. Das ist hier eine Landschaft, die so gar nicht nach Neufundland aussieht, wie wir es uns vorstellen: fast wüstenhaft, in warmen Gelb- und Brauntönen, und doch voller geologischer Geschichte. Zwischen Lookout Trail und Tablelands haben wir heute zwei völlig unterschiedliche Gesichter dieses Nationalparks erlebt – beide auf ihre Weise äußerst spektakulär und für uns sicher immer unvergesslich.

Nun stehen noch einmal 75 Minuten Fahrt bis zur Unterkunft auf dem Programm. Eigentlich können wir Norris Point auf der anderen Seite der Bonne Bay schon sehen. Es gibt hier aber keine Fähre. Also kurven wir einmal komplett um diese große Bucht herum, passieren noch einmal ein Eingangsschild zum Nationalpark (nördlicher Teil) und sind um 18:00 Uhr an Neddies Harbour Inn.

Sehr schicke Unterkunft mit allem drum und dran. Sogar ein Restaurant gibt es hier. Aber eher von der Sorte „fine dining“. Uns ist eher nach Hafenkneipe und Handfestem. Hier gibt es aber nicht viel an Restaurants. Ich finde auf Google als einzige Alternative den „Cat & Rooster Pub“, 1,4 km entfernt - 4 Minuten mit dem Auto. Das geht fix. Von außen: merkwürdig, von innen: Hafenkneipe!

Uns begrüßt Justin, der hinter der Theke steht mit exakt folgenden Worten: „Welcome to the cat & rootser pub. If this is your first time here let me introduce myself: I'm Justin and it’s just me I’ll be you host, server, bartender, chef, dishwasher, cleaner and after hours there is no barista, sommelier or bakery. Therefore no coffee, no tea, no desert. Wine comes from a box. It’s red or white. The pub is cash only or E-Mail money transfer. These are the terms if my service, if you’re ok with them you are more than welcome to stay. If not this building ist equipped with two exits.“ Bei den letzten Worten zeigt er auf die beiden Ausgänge und lacht. Super lustiger Vogel. „We’re ok with that all“ und nehmen Platz. Und ich schwöre: er zieht diesen Text bei allen neuen Gästen ab - 1:1. Hab ich mir das so merken können? Nein - es stand auch vorne in der Speisenkarte abgedruckt.

Wir essen die „specials of the day“: Gabi den Lachsburger, ich frittierte Hähnchenrollen, beides mit Fries, beides lecker. Danach fahren wir zurück zum Zimmer. Die Uhren zeigen jeweils mehr als 20.000 Schritte, wir sind ziemlich kaputt. Vater schreibt, dass die deutschen Basketballer ihm einen aufregenden Abend verschafft haben. Ja, scheint ein Krimi gewesen zu sein, wenn man dem World Wide Web glauben darf.

Bis morgen - da ist der nördliches Teil dieses wirklich spektakulären Nationalparks an der Reihe. Das Wetter ist wohl nicht mehr so günstig - aber schauen wir mal …

Tagesetappe: 421 Kilometer
Übernachtung: Neddies Harbour Inn, 7 Beach Road, Norris Point, NL A0K 3V0

© 2025 Gabi & Jürgen